Der Blick der Statuen


In der Zeit der Gegenreformation, in der Champagne des 16. Jahrhunderts wurde es zur Gewohnheit, in den Kirchen Statuen zu errichten: viele, sehr realistische und komplett farbige Statuen – lebende Statuen, sozusagen. In Troyes, der Ort einer der wichtigsten Messen Europas, die zahlreichen Kirchen, jede mit ihren eigenen Zünften und Bruderschaften, hatten viele Steinfiguren, im Chor, an der Basis der Bogen, oder vom Gewölbe des Presbyteriums hinunterblickend.


Die meisten ihrer Bildhauer bleiben unbekannt. In der Regel haben sie ihre Werke nicht signiert, und ihre Verträge mit ihren Auftraggebern sind verschwunden. Es bleiben nur die Statuen, die noch heute still und aufmerksam in den Kirchen stehen. In Chaource, in der Nähe von Troyes, ist die Kirche mit mehr als hundert Statuen von einer hervorragenden Qualität eingerichtet. Und hier hat der Meister von Chaource eine der schönsten Grablegungen Europas hinterlassen.

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Man geht jenseits der großen Grisaille-Fenster des Jüngsten Gerichts, dann fünf Schritten unten. Der Ort ist eigentlich keine Krypta, noch eine Seitenkapelle, noch ein Grab – aber er sieht aus wie einer. Man steigt ein paar Schritte ins Zwielicht, fast in die Dunkelheit.

In die Dunkelheit eingetreten, bevor wir die Gruppe der Grablegung erblicken, weichen wir zurück angesichts der zwei steinernen Wachen, die auf beiden Seiten der Tür stehen.

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Die Wachen. Überlebensgroß, ihre Augen sind voller Angst. Seit 1515 beobachten sie, was sie nicht glauben, vor dem Einschlafen und Erwachen bei der Auferstehung. Seit 1515 stehen sie dort in ihren Renaissance-Kostümen, mit Speeren in der Hand.

Dann, als unsere Augen sich zum Halbdunkel gewöhnen, treten wir vor. Hier sind Nikodemus, die Jungfrau Maria, Johannes, Maria Salome und Maria Magdalena mit einer Vase voll mit Parfüm, Maria Kleophas, und Joseph von Arimathäa an den Füßen Christi. Und der Körper aus weißem Stein, völlig glatt von Jahrhunderten von Gestreichel. Alle Figuren sind größer als wir, eben genug, um uns in der Lage der Demut zu halten, während sie unaussprechlich menschlich sind. Die geduldigen und aufmerksamen Hände aus Stein pausen für einen Moment vor dem Schließen der Leichentuch. Und die Augen aus Stein schauen ohne Überquerung unseres Blickes, denn sie beobachten, was niemand je gesehen hat, und in ihrem Erstauen, dass sie es sehen, wenden sie sich wieder zu ihren eigenen Gedanken.

Hier, im Schatten begegnet man den Gedanken, er wartete für uns seit 1515, und man fühlt sehr klein vor ihm.

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