Sett'ispadas de dolore



Eva Lutza (Trompete, Gesang): Sett’ispadas de dolore (Sieben Schwerter des Schmerzens) (video hier). Mittelalterliche Beweinung von Maria auf Sardisch, die in den Dörfern von Sardinien auf der Karwoche noch heute gesungen wird.

Pro fizu meu ispriradu
a manos de su rigore
sett’ispadas de dolore
su coro mi han trapassadu.

Truncadu porto su coro
su pettus tengo frecciadu
de cando mi han leadu
su meu riccu tesoro
fui tant’a cua chignoro
comente mi es faltadu
sett’ispadas de dolore
su coro mi han trapassadu.

In breve ora l’han mortu
pustis chi l’han catturadu
bindig’oras estistadu
in sa rughe dae s’ortu
e bendadu l’ana mortu
cun sos colpos chi l’han dadu
sett’ispadas de dolore
su coro mi han trapassadu.

Morte no mi lesses bia
morte no tardes piusu
ca sende mortu Gesusu
no podet vivever Maria
unu fizu chi tenia
sa vida li han leadu
sett’ispadas de dolore
su coro mi han trapassadu.
Für meinen Sohn, der starb
in den Händen der Gewalt
sieben Schwerter des Schmerzens
durchbohrten mein Herz

Mein Herz ist gebrochen
mein Brust durchbohrt von Pfeilen
seitdem mein reicher Schatz
wurde von mir weggenommen
mit solcher Wut, dass ich weiß
nicht, wie er geschwunden ist
sieben Schwerter des Schmerzens
durchbohrten mein Herz

In kurzer Zeit töteten sie ihn
nachdem ihn gefangen nahmen
es dauerte fünfzehn Stunden
vom Garten bis zum Kreuz
sie banden seine Augen
so töteten sie ihn mit Schlagen
sieben Schwerter des Schmerzens
durchbohrten mein Herz

Tod, verlass mich nicht lebend
Tod, verzöger nicht mehr
weil wenn Jesus tot ist
kann Maria nicht mehr leben
vom einzigen Sohn, den ich hatte
das Leben wurde weggenommen
sieben Schwerter des Schmerzens
durchbohrten mein Herz

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Giovanni Tedesco: Fragment eines Kruzifix. Perugia oder Siena, um 1460. Berlin, Bode Museum

Geistzeichen


مرگ بر شاه marg bar shâh, Tod dem Schah. Jetzt, im Juli 2015. Sechsunddreißig Jahre nach der Revolution. In Isfahan, in den Gassen hinter dem Basar.

„Vierzig Tage nach den Ereignissen in Qom versammelten sich die Menschen in den Moscheen von vielen iranischen Städten, um die Opfer des Massakers zu gedenken. In Tabriz wuchs die Spannung so hoch, dass ein Aufstand ausbrach. Eine Menschenmenge marschierte durch die Straßen, und sie riefen: „Tod dem Schah!“ Die Armee rückte heraus, und hat die Stadt im Blut ertränkt. Hunderte wurden getötet, Tausende wurden verletzt. Nach vierzig Tagen versetzten sich die Städte in Trauer – es war Zeit, um das Massaker von Tabriz zu gedenken. In einer Stadt – Isfahan – ein verzweifelter, wütender Menge strömte auf die Straßen. Die Armee gab die Demonstranten um, und eröffneten das Feuer: mehr Menschen starben. Weitere vierzig Tagen hingehen, und jetzt trauernde Massen versammeln sich in Dutzenden von Stäten, um diejenigen, die in Isfahan fielen, zu gedenken.“
Ryszard Kapuściński: Schah-in-Schah, 1982


Trauerlied am Ashura-Tag über Abolfazl, der Bruder von Imam Hussein, der zusammen mit seinem Bruder bei Kerbala getötet wurde. Als wir es früher geschrieben haben, dies ist das entscheidende Ereignis des Paradigms des Märtyrertums bei den Schiiten.

Foto von Abbas (Magnum Photos), 1979

Kommen Sie mit uns nach Iran!


Iran gehört nicht zu den trendigen Touristenzielen. Es ist ein großer Glück, weil wenn die atemberaubende Schönheit des Landes, seine städtische Zivilisation, die Freundlichkeit der Menschen, die Vielzahl der historischen Sehenswürdigkeiten, die subtile Musik und Kunst, und die raffinierte iranische Küche weithin bekannt wären, könnten wir von den vielen Touristen keinen Schritt tun, und könnten nicht unsere Leser an solche exklusive Touren einladen, wie diese, mit der wir beginnen, Iran zu bewandern.

Wir beginnen, sage ich, weil Iran ein riesiges Land ist. Von einer Ecke zur anderen, zweitausendfünfhundert Kilometer, und dann gingen wir erst durch eine Straße. Und zur gleichen Zeit ist es ein sehr vielfältiges Land, mit so vielen Sehenswürdigkeiten, vom Frühlingsblumenpracht der kurdischen Bergen zu den erstaunlichen Farben der Wüste von Kerman, von den tausend Jahre alten Städten zu den Karawansereien der Seidenstraßen, von den Nomadenstämmen zu den jahrhundertealten Basaren, in die die Stämme im Frühjahr in farbenfrohen Umzug herabziehen, um die in den Bergen im Winter gewebten Teppiche zu verkaufen. Um all dies zu sehen, müssen wir ein paar Mal zurückkommen. Auf unserer ersten Tour, vom 22. Oktober bis 1. November fahren wir entlang der zentralen historischen Achse von Persien, der Kette der alten Städte von Teheran bis Persepolis.



Soheil Nafisi: همه فصلن دنیا Hame-ye faslân-e donyâ, „Alle Jahreszeiten der Welt“. Aus dem Album ترانهای جنوب Tarânehâ-ye jonūb, „Südliche Lieder“ (2010). Bereits zitiert in diesem Lieblingspost, zusammen mit dem Foto von Alieh Sâdatpur.



Unser Flugzeug startet am 22. Oktober mittags von Wien, und kommt am späten Abend über Istanbul zum internationalen Flughafen südlich von Teheran an. Von dort aus fahren wir sofort mit gemietetem Bus nach Kashan, etwa zwei Stunden entfernt. Am nächsten Tag ist nämlich die größste religiöse Feier von Iran, der Tag des Ashura, und wenn wir schon diesen Glück haben, müssen wir an der in solcher traditionellen Stadt teilnehmen, wie die viele tausende Jahren alte Karawanserei-Stadt von Kashan. Neben der die ganze Stadt umfassenden Reihe der Feste, Prozessionen und öffentlichen Zeremonien streifen wir die von Lehm gebaute Altstadt, besuchen wir die historische Kaufmannshäuser, und am Abend essen wir im traditionellen Teehaus neben dem 500 Jahre alt Safavidengarten, ein Weltkulturerbe. Unsere Unterkunft wird in einem vierhundert Jahre alten Kaufmannshaus, das einige jungen Manager in ein traditionelles Gasthaus verwandelten (wir werden mehr darüber schreiben, zusammen mit einem Interview).


Am 24. Oktober, Samstag machen wir einen Busausflug in die Gebirgsregion südlich von Kashan. Wir fahren beim Urananreicherungszentrum von Natanz vorbei (Fotografieren ist streng verboten, aber sehen nicht), wir halten an der von den mongolischen Khanen gebauten Moschee von Natanz aus dem 13. Jahrhundert an, und dann erreichen wir Abyaneh, das Rote Dorf. Wir bewandern das Dorf und ihre Umgebung, haben Picknick am Bach (wo unser Freund Hamid, der lokale Hotelbesitzer liefert uns die Mittagessen auf Eselsrücken), und am Nachmittag kehren wir nach Kashan zurück. Wir schauen uns im Basar von Kashan um – der gestern wegen der Zeremonie geschlossen war –, und am Abend kochen wir persisches Abendessen zusammen mit Farshad, der junge kurdische Manager des Gasthauses.


Am 25. Oktober, Sonntag am Morgen fahren wir mit dem Bus nach Isfahan, zwei Stunden entfernt, während wir einige Mal bei schönen Sehenswürdigkeiten und traditionellen Dörfer anhalten. Isfahan ist die schönste Stadt Irans, die für Jahrhunderten auch seine Hauptstadt war. An diesem und dem folgenden Tag besichtigen wir die Stadt. Von unserem Hotel im Zentrum erreichen wir durch den großen Basar den Hauptplatz, den die Kunstgeschichte zu den zehn schönsten Plätze der Welt zählt. Wir besuchen die mit den blauen Kacheln der armenischen Handwerkern eingerichtete Imam-Moschee, die tausend Jahre alte Freitagsmoschee, wir streifen im achthundert Jahre alten und immer noch lebendigen jüdischen Viertel, das größte jüdische Zentrum Irans, und wir überqueren die fünfhundert Jahre alte Si-o-se, das heißt, Dreiunddreißiglöcher-Brücke, um den über dem Zayande-, das heißt, Lebenspendender Fluß liegenden armenischen Viertel zu sehen. Wir werden persische Gärten und Paläste besuchen, werden den hoffnungslosen Versuch beginnen, durch den ganzen Basar zu wandern, werden Nomadenteppiche sehen, in alten Teehäusern essen, traditionelle Konzerte hören.


Am 27. Oktober, Dienstag am Morgen fahren wir mit dem Bus nach Yazd, die Karawanserei-Stadt am Rande der Wüste. Wir tauchen in das Labyrinth der aus Lehm gebauten Altstadt unter, die noch archaischer als die von Kashan ist, und besuchen noch arbeitende Karawansereien, viele Jahrhunderte alte Moscheen, Kaufmannshäuser und Heiligtümer. Die zoroastrische Religion des alten Persiens – die vom Islam als eine „Religion des Buches“ toleriert wurde – hat die meisten Anhänger in Yazd, also werden wir zoroastrischen Heiligtümer und „Türme des Schweigens“ außerhalb der Stadt besuchen, wo die Körper der Toten ausgelegt wurden, damit sie nicht die heiligen Elemente der Erde, Wassser und Feuer verunreinigen. Wir haben Abendessen in einem traditionellen Karawanserei, und am nächsten Tag gehen wir an einen Busausflug in den schönsten Teil der iranischen Wüste, die hier ein Nationalpark ist.


Am 29. Oktober, Donnerstag fahren wir mit dem Bus nach Shiraz. Dies ist die längste Strecke der Reise, etwa 400 Kilometer, aber auf der Autobahn, und wir werden einige Mal bei schönen Sehenswürdigkeiten und historischen Monumenten anhalten, und vor allem bei Persepolis, die Hauptstadt des alten Persiens, die sogar in seinen Ruinen prächtig ist. Dort werde ich über die gut erhaltenen Gebäude, Reliefs und Königsgräber eine sehr detaillierten kunsthistorische Führung halten. Nachmittags erreichen wir Shiraz, wo wir an diesem Tag und am nächsten Morgen die Altstadt, den Basar und die schönen Moscheen und Kaufmannshäuser besuchen. Am Nachmittag fliegen wir mit einem Inlandsflug nach Teheran zurück.


An unserem letzten Tag, den 31. Oktober fassen wir unsere Eindrücke in Teheran zusammen. In der jungen, erst 1790 gegründeten Hauptstadt gibt es nicht viele historische Denkmäler, so werden wir in der modernen Innenstadt spazieren, ein Picknick im Taʿbiat Park haben an der weltweit größten Fußgängerbrücke, die im vergangenen Jahr eröffnet wurde, und am Abend verspeisen wir unser Abschiedsessen etwa tausend Meter höher, unter den Bergen, in einem traditionellen Teehaus des Ausflugviertels Darband. Früh am Morgen fliegen wir über Istanbul nach Wien zurück, wir kommen um Mittag an.


Über Iran und die persische Kultur haben wir bereits viel in río Wang geschrieben, und wir schreiben noch mehr, vor allem über die Orte, die wir besuchen wollen. Die Posts über Persien werden kontinuierlich im Post „Persische Briefe“ gesammelt, schauen Sie oft wieder. Und wenn Sie über etwas neugierig sind, sagen Sie uns. Wir freuen uns, Posts auch auf Auftrag zu schreiben.

Die Teilnahmegebühr ist 700 Euro, die die Hotels mit Frühstück (ein Bett in einem Zweibett/Doppelzimmer), die Fern- und gemieteten Bussen, den Inlandsflug von Shiraz nach Teheran, und die Führung durch einen persischsprachigen und die iranische Kultur kennenden Kunsthistoriker – das heißt, ich – beinhaltet. Hinu kommt die Preise des Fluges (Wien–Istanbul–Teheran und zurück ist jetzt 330 Euro, aber Sie können natürlich den Flug nehmen, der für Sie am bequemsten ist), und die Kosten für das iranische Visum, die etwa 100 Euro sind. Die Anmeldefrist ist 20. August, Donnerstag, an der gewöhnlichen E-Mail wang@studiolum.com.



Überblendung: An Dichterinnen, auf Einladungskarten

Kitagawa Utamaro (1753-1806): Aus der Serie Sieben Frauen beim Schminken (1792-93)

Arnošt Hofbauer (1869-1944): Einladung zur Vorlesung von Hana Kvapilová (1860-1907) in den Jugendklub von Prag, 1899

Ashura in Abyaneh


Ashura, der zehnte Tag des Monats Muharram ist einer der wichtigsten Tage in der Geschichte der Menschheit. An diesem Tag hat Gott Adam und Eva geschaffen, an diesem Tag gab Er an Jakob seinen verlorenen Sohn Joseph zurück, und an diesem Tag befreitete Er die Juden aus der Tyrannei des Pharao, an dessen Gedenken Muhammad ein Dankfasten für diesen Tag bestellt hat. Und am Abend laden sich die Sunniten zum besonderen Ashura- oder Noahpudding, um zu gedenken, dass an diesem Tag die Flut begann zurückzutreten. In den schiitischen Regionen ist es jedoch wichtiger als alles andere, dass im Jahr 680 an diesem Tag Imam Hussein, der Sohn von Ali und der Enkel von Muhammad den Martertod starb, nachdem er mit seinen zweiundsiebzig Gefährten für einen ganzen Tag gegen die dreißigtausend Soldaten des Usurpatorkalifs in Kerbala, an den Ufern des Euphrats heldenhaft kämpfte. Dies ist ein entscheidendes Ereignis der schiitischen Identität, und sein Jahrestag der größte Trauertag für alle Schiiten, deren Religiosität vom Kult der Märtyrer – von den getöteten Imamen bis zu den im Irak-Iran-Krieg gefallenen eine Million Iranern – geprägt ist. Das jährliche rituelle Gedenken an die Tragödie von tausendfünfhundert Jahren bietet auch eine Möglichkeit für jedermann, seine persönliche Verluste zu erleben.

Jede Stadt hat ihre eigenen Traditionen des Gedenkens. Über die Gewohnheiten von Abyaneh kann man hier oder hier im Detail lesen. Am vorigen Abend sammeln sich die Einwohner der Stadt in der Moschee, um an der Nacht von Tasuʿa, des neunten Tages zu wachen, genau wie Hussein und seine Gefährten wachten vor der entscheidenden Schlacht. Der Imam forderte seine Anhänger auf, ihn vor dem sicheren Martyrium des nächsten Tages ohne der Sünde des Verrats zu verlassen, bis nur die Zweiundsiebzig blieben. In Abyaneh wäre es jedoch eine Schande für jedermann, von der Nachtwache wegzuglebieben. Während der zakeri genannten Trauerfeier singt man Trauerlieder und liest Gedichte, und die Frauen halten tie Teilnehmer mit Klapper wach. Am nächsten Morgen streifen die Frauen das Dorf mit Klapper durch, und sie besuchen jedes Haus, in dem jemand seit dem Ashura des Vorjahres gestorben war, um dort zu singen. Inzwischen schmücken die Männer die nakhl, die „Palme“, den symbolischen Katafalk von Imam Hussein auf, der während des ganzen Jahres auf dem Balkon des Hauses der Bruderschaft für diesen Tag wartet. Sie heben die schwere Struktur auf ihre Schulter, und sie tragen sie für mehrere Stunden durch die Straßen des Dorfes. In Abyaneh – so wie in den andere Städten der iranischen Wüste – gibt es mehrere nakhls, und jeder hat seine eigene Bruderschaft, Zeremonie und Strecke, sehr ähnlich an die katholischen Prozessionen der Karwoche in den spanischen und italienischen Städten, über die wir hier und hier geschrieben haben.

In Abyaneh – wie in Spanien – ist die Prozession auch eine Art Touristenattraktion, deren Besucher aus ganz Iran kommen. Von den Fotos, die auf der persischen Net zu finden sind, veranschaulichen wir die Zeremonie mit denjenigen von Mohammed und Hossein Sâki.



Trauerlied am Ashura-Tag über Abolfazl, der Bruder von Imam Hussein, der zusammen mit seinem Bruder bei Kerbala getötet wurde.

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In diesem Jahr fällt Ashura am 23. Oktober, wenn wir in Iran werden. Wenn alles gut geht, werden wir für das große Ereignis in Abyaneh sein, inshallah.


Rosa Postkarten 25



Absender: Károly Timó, 1. 1. Marschregiment
Addresse des Absenders: Martini Batallion Bányay Kompanie
Feldpost 350

FELDPOSTKARTE

Addresse: An das geehrte Fräulein Antonia Zajác
III. Bezirk, Kis-Korona Straße 52.
Budapest





Vorige Postkarten (graue Punkte):

Galizien, 25 Juli 1915
Galizien, 14 Juli 1915
Galizien, 12 Juli 1915
Galizien, 6 Juli 1915
Galizien, 25 Juni 1915
Galizien, 10 Juni 1915
Debrecen, 5 Juni 1915
Budapest, 1 Juni 1915
Budapest, 1 März 1915
Budapest, 10 Februar 1915
Kecskemét, 30 Januar 1915
Dukla Pass, 11 Januar 1915
Felsőhunkóc, 4 Januar 1915
Sztropkó, 31 Dezember 1914
Budapest, 23 Dezember 1914
Budapest, 21 Dezember 1914
Budapest, 11 Dezember 1914
Budapest, 2 Dezember 1914
Budapest, 28 November 1914
Budapest, 27 November 1914
Budapest, 18 November 1914
Budapest, 27 Oktober 1914
Debrecen, 25 September 1914
Szerencs, 28 August 1914
Mein lieber Sohn2 August

Heute erhielte ich deine lang ersehnte Postkarte, worauf ich so lange wartete. Warum schreibst du so selten? Es scheint, dass du dich in Siófok wohl fühltest, da du mir von dort nicht einmal eine Karte gesendet hast. Aber das spielt keine Rolle. Ich hoffe, dass du es nachholen wirst. Die Hauptsache ist, dass du dich wohl fühlst. Ich bin immer noch gut, aber ich kann nicht warten, um dich zu sehen. Was ist mit deiner Mutter, ist sie gesund? Sind Veronka und Mariska wohl? Noch keine Nachricht über Feri?

Auch Stefán schrieb in dieser Woche, sie haben zu wenig Arbeit. Über Kozma und Béla gibt es keine Nachrichten. Sie haben seit langem auch an sie nicht geschrieben.

Ich habe keine andere Nachrichten.

Unzählige Umarmungen und Küsse von
Károly.

Grüße auch an die Daheimgebliebenen.

Schreib mir eine Menge



[Runde Zahl. Die fünfundzwanzigste Rosa Postkarte an die Adresse von Kiskorona Straße 52, in Óbuda, nordöstliche Budapest.

Die Straße existiert noch, doch hat die Zeit ihre unermündliche Arbeit auf sie vollendet.

Gehen wir denn zumindest im Gedanken zum Ort, in Kiskorona Straße, wohin die Rosa Postkarten adressiert wurden.

Ein Detail der Übersichtskarte von Budapest, 1:5000

Die Straße liegt auf der Bergseite der Lajos Straße, die parallel zum Ufer der Donau führt. Es verzweigt von ihr am Királydomb (Königshügel). Zuerst hieß sie Kronen Gasse, die später als Kiskorona (Kleine Krone) übersetzt wurde. Sie endete an der westlichen Seite des Heiligen Geistes-Platz, in Richtung Polgár Straße. In einigen Zeitaltern trug die ganze Straße oder ein Teil davon den Namen des Märtyrer Malers Adolf Fényes. (Die Königshügel war eine seltsame Formation. Ein nur wenige Meter hoch Hügel, mit schmalen Grundstücken und Häusern, die von seiner Mitte radial abliefen. Zwischen 1930 und 1941 haben die Ausgrabungen das unter ihnen zusammengebrochenen Soldaten-Amphitheater von Aquincum zur Oberfläche gebracht.)

Auch wenn diese Straße nicht so wichtig war wie Lajos Straße, die Hauptstraße von Óbuda, doch hatte sie eine Menge von kleinen Restaurants, Handwerksbetriebe, und die berühmte Goldberger Textilfabrik. Das Perc (Minute) Straße, die Kiskorona Straße überquerte, erhielt seinen Namen nach den Handwerkern aus der Nachbarschaft, die „Mister Minit“-s der Zeit.

Wie Ernő Zórád in seinen Aquarellen den ehemaligen Viertel Tabán in eine schöne, sonnige Hanglage mit krummen Gassen zauberte, so idealisierte Gábor Kássa Óbuda, und die ehemalige Kiskorona Straße in ihr.

Gábor Kássa: Die Kiskorona Straße

Über Nummer 52 haben wir kein Bild, nur über das dritte Haus daneben. Das am Foto von Kiskorona Straße 58 dargestellte Haus soll dem spurlos verschwundenen ähnlich sein. Warum sollte es anders aussehen?


Bis Ende der fünfziger und sechziger Jahre hatte sich diese Óbuda völlig heruntergekommen, so dass es sollte nicht zu viel Herzschmerz verursacht haben, sie zu zerstören. Die Bulldozer starteten. Nur eine Reserve von einer kleinen Hausgruppe blieb intakt um dem ehemaligen Korona-Platz. Das Bild unten darstellt das als Museum für Gaststättengewerbe renovierte Haus, sowie dasjenige daneben, in dessen Fenster der Schriftsteller Gyula Krúdy für sein berühmtes Foto posierte. Auf der rechten Seite sieht man den heutige Zivilklub von Óbuda, und weiter nach rechts, bereits das Foto verlassend, das Haus und Atelier von Gyula Knöpfler, der Fotograf der Straße, das zu ein Altenheim befördert wurde.

Der Korona-Platz vom Grundstück eines zerstörten Nebenwohnblocks gesehen

Heute sieht man in der Stelle der geraden Zahlen die unendlichen zehnstöckigen Wohnblocks, und der ungeraden Zahlen einige Ruinen. Im 14. Jahrhundert gründete hier Königin Elisabeth, die Witwe von König Karl Robert von Anjou und die Mutter von Ludwig der Große das Kloster der Armen Klarissen. Jetzt nur die kaum sichtbare Ruinen sind hier zu finden.

Auf dem kürzlich erhöhten Mauer stehend kann man sich irgendwo hinter den Bäumen das nicht vorhandene Haus, das Nonplusultra der Träume vorstellen.

P.S. Ja, ich weiß, dass dass Gerät auf dem Bild oben kein Bulldozer ist.]