


Die Wände von Orgòsolo wurden seit den 1960 Jahren von Wandbilder – von überraschend guter Qualität – eingerichtet, und von hier verbreiteten sie in die anderen Städten Sardiniens. Doch während in den anderen Orten man malt in den Regel traditionelle Szenen und Figuren an den Wänden der Häuser, die Mehrheit der Fresken in Orgòsolo sind politische Protestgemälden. Orgòsolo, im Herz der Barbagia, die geschlossene, archaische Bergregion Sardiniens, ist seit jeher das Zentrum des sardischen Unabhängigkeit und des Widerstands gegen die als Eindringling betrachtete italienische Macht. Es war vor allem so in den 1960er und 1970er Jahren, wenn sie die traditionelle Hirtenkultur gegen die staatliche Landenteignung verteidigten. Die ersten Wandbilder, über die wir im Detail in einem separaten Post schreiben werden, waren Ausdruck dieses Widerstands.





„Zu einem brillanten Angriff soll man berechnen, wie viele Menschen das Maschinengewehr brechen kann, und man sendet in Angriff einen höheren Anzahl von Menschen. Jemand wird das Maschinengewehr erreichen.“
Luigi Cadorna: Briefe

Wenn das dankbare italienische Staat mit einem Straßenschild garantiert, dass der Name von General Cadorna für immer aufrechterhaltet seie, sichergestellt das als Kommentar daneben gemalte Wandbild, dass die Sarden – von denen besonders viele junge Menschen im Ersten Weltkrieg verloren wurden – genau wissen, was sie zu Cadorna verdanken. Der Text des Bildkommentars lautet wie folgt:
„General L. Cadorna, der Hauptverantwortliche für das Massaker des Ersten Weltkriegs.
Soldaten an allen Fronten getötet: 8 Millionen 740.000
Italienische Soldaten getötet: 571.000
Invaliden und Verstümmelten: 451.645
Verschwunden: 117.000
210.000 Soldaten wurden erschossen oder verurteilt, weil sie nicht mehr kämpfen wollten.
KILLER GENERÄLE!“
Und das in den Mund der jungen Witwe – und somit der ganzen Gemeinschaft – gegebene Soldatenlied des Ersten Weltkrieg stellt sicher, das auch die Erinnerung an Caporetto gepflegt seie:
E anche a mi’ marito tocca andare (Mein Mann muss auch gehen). Text und Aufnahme von hier
E anche al mi’ marito tocca andare a fa’ barriera contro l’invasore, ma se va a fa’ la guerra e po’ ci more rimango sola con quattro creature. E avevano ragione i socialisti: ne more tanti e ’un semo ancora lesti; ma s’anco ’r prete dice che dovresti, a morì te ’un ci vai, ’un ci hanno cristi. E a te, Cadorna, ’un mancan l’accidenti, ché a Caporetto n’hai ammazzati tanti; noi si patisce tutti questi pianti e te, nato d’un cane, non li senti, E ’un me ne ’mporta della tu’ vittoria, perché ci sputo sopra alla bandiera; sputo sopra l’Italia tutta ’ntera e vado ’n culo al re con la su’ boria, E quando si farà rivoluzione ti voglio ammazzà io, nato d’un cane, e a’ generali figli di puttane gli voglio sparà a tutti cor cannone. | Mein Mann muss auch gehen, um eine Sperre gegen die Eindringlinge zu setzen aber wenn er in den Krieg zieht und stirbt bleibe ich allein mit vier Kindern. Die Sozialisten hatten Recht, dass so viele stirben, und wir sind immer nicht aufgewacht aber selbst wenn der Priester sagt, dass geh und stirb, geh nicht, es gibt keinen Christ dafür! Aber du, Cadorna, der nicht zufrieden bist mit den vielen, die an Caporetto getötet hast wir leiden und weinen hier die ganze Zeit aber du, Hurensohn, das nicht einmal hörst Ich interessiere mich nicht für deinen Sieg weil ich spucke auf die Fahne ich spucke auf ganz Italien, und ficke in den Arsch den König mit seiner Arroganz Und als es wird die Revoluzion geben ich will dich töten, Hurensohn, und alle bastarde Generäle will mit Kanonen totschießen. |
