Falscher Freund


Poststempel sind oft mit überraschenden Geschichten verbunden. Und eine überraschendere als die folgende werden Sie heute schon nicht lesen. Das folgende Objekt erschien heute auf einer Auktions-Website:

„Poststempel beschriftet Poštovní úřad Ilnice in Tschechisch und Serbisch, aus der albanischen Siedlung von Ilnice / ca 1910 Albania, Ilnice, Czech postal station seal maker 36 mm“

Wirklich musste es ein historischer Moment gewesen sein, der Höhepunkt des Multikulturalismus „der glücklichen Zeiten des Friedens“, als das erste Postamt im albanischen Bergsdorf Ilnicë, unter den malerischen Bergen des Balkans, nicht weit von der heutigen mazedonischen Grenze geöffnet wurde. Und was für ein Postamt! Mit einem zweisprachigen, tschechischen und serbischen Stempel, und mit dem zweischwänziger Löwe anstelle dem zweiköpfigen österreichischen Kaisers- oder albanischen Königsadler. Und all dies im Jahr 1910, vier Jahre vor dem Ersten Weltkrieg, und acht Jahre vor den großen mitteleuropäischen Grenzverschiebungen. Was für eine Harmonie der mitteleuropäischen Nationen! Ach, wenn es nur so geblieben hätte!


Aber es ist nicht so geblieben. Und vielleicht war es nie so. Was ist ja die Quelle dieser Lokalisierung? Die Tatsache, dass wenn man „Ilnice“ sucht, Google verweist auf das albanische Dorf „Ilnicë“. Es gibt kein anderes Ergebnis. Wenn man jedoch mit einem Minimum an gesundem Menschenverstand darüber denkt, wo und wann amtliche Inschriften auf Tschechisch und Kyrillisch gleichzeitig unter der Schirmherrschaft des zweischwänzigen Löwens gebraucht wurden, kommt man darauf, dass es nur in der schräg visavis gegenüberliegenden Ecke der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie, im von Ungarn 1920 an die Tschechoslowakei abgetrennten Rusinsko geschehen sein konnte. Und dann ist es schon leicht zu finden, nicht weit von Nagyszőlős/Vinogradov, entlang der Ilnicka-Strom, das Dorf von Ilonca (in Tschechisch Ilnice, in Russinisch Ильниця, in Rumänisch Ilniţa, auf dem modernen ukrainischen offiziellen Namen Ільниця), dessen keine historische Namen, wie die auf dem Stempel, werden von Google bekannt.

In der Linguistik ist ein „faux-ami“, falscher Freund ein Wort, das in zwei Sprachen ähnlich klingt, aber eine verschiedene Bedeutung in jedem hat. So wie die tschechische Ilnice und die albanische Ilnicë. Die obige Auktionsbeschreibung weist darauf hin, dass ohne Sorgfalt und Kritik an der Quellen kann auch Google dein falscher Freund sein.

Wir konnten keine zeitgenössischen Postkarte von Ilonca finden. Dies ist aus dem benachbartem Ilosva, das näher an der Hauptstraße und dem Eisenbahn lag, und so konnte es mit mehreren Postkartenkunden rechnen. Schließlich liegt es noch näher an Ilonca als das albanische Ilnicë.

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