30 (und mehr) Gründe, um Iran zu besuchen


1. Weil unter allen Blauen, die man sich vorstellen kann, nur wenige so dicht und tief sind, wie das Blau des Isfahan.

2. Weil die Berge schöner und wilder und bunter und unheimlicher sind als anderswo.


3. Weil die persische Schrift faszinierend ist.

4. Weil ganze Familien mit einem Motorrad fahren, ohne einen Helm, die Kinder vor dem Vater und die Mutter hinter ihm, ihr schwarzer Tschador wie ein Segel geschwollen.


5. Weil von Tür zu Tür, Geschäft zu Geschäft, Taxi zu Bus verschiedene musikalische Universen überquerst, wo sich die Sprache, die Stimme und die Instrumente in einen melankolischen Faden verschmelzen.

6. Wegen all der Gesichter, Körper, Stimmen, Blicke derjenigen, die du treffst, wegen allen, die zu dir sprechen.


7. Weil du die Geschichte von Esther und Mordechai auf den Trümmern des Pasargad sitzend an Iranern erzählen kannst.


8. Weil es überall Eukalyptus und Zypressen und Platanen und Pappeln und Weiden gibt. Weil zwischen zwei Ketten von dürren Berge hellgrüne Reisfelder findest.

9. Weil khâkshir trinken kannst, die lecker ist und riecht nach Rose, aber du kanst es nicht herausfinden, was die darin schwebenden kleinen braunen Samen sind.

10. Weil du dich an Aischylos, an den persischen Bote, der über die Klagen von Xerxes und den auf der Landzunge oberhalb Salamis stehenden Thron des Königs spricht, und an das Zepter von Darius erinerst – und stehst am Fuß ihrer Gräbern.


11. Weil du Taxifahrer triffst, die auf der Fahrt Poesie hören, und selbst wenn du kein Persisch verstehst, wird dich der Rhythmus, der Klang, die Musik der Sprache einwiegen.

12. Für die mit Säcken beladenen Esel. Und für die mechanischen Bestien, die genauso müde und mit den gleichen Säcken beladen sind.


13. Weil es Moscheen sogar auf den Raststätten gibt.

14. Weil das Überqueren der Straße ein Abenteuer ist, und die Unfälle dramatischer als anderswo, weil der Verkehr schrecklich ist, weil die Autowracks an den Autobahn-Mautstellen ausgesetzt sind.


15. Weil die Kinder klug sind, sie spielen lachend auf dem Rasen in der Kühle der Dämmerung, die älteren führen die kleineren in den Gärten und Teichen, und ihre Eltern sprechen leise mit ihnen.


16. Weil du unwahrscheinliche Leute triffst, diese gegen den Islam schäumenden Zoroastrianern, dieser junge Mann, der in der Mitte der Wüste aus Warten auf Godot zitiert, diese Mädchen mit zerkratzten und farbigen falschen Nägeln auf ihre Zehen, die wie lange und scharfe Krallen, und ihr Gesicht wie eine feindliche Maske ist, und die dir mit lebhaften Gesten erzählt, wie ihr Bruder letztes Jahr gehängt wurde.

17. Wegen der Männer, die auf einem Teppich auf der Straße, oder im Schatten der Bäume entlang der Straße sitzen.


18. Weil die Drei Könige aus Persien kamen.

19. Weil die Nacht in der Wüste voller Sterne ist, und die Milchstraße mehr milchig als hier.

20. Weil das Überleben der Sommerhitze ist eine spirituelle Erfahrung wie jede andere.

21. Weil die Mullahs auch Väter sind, und du siehst sie auf den Höfen der Moscheen mit ihren Kindern spielen.

22. Wegen der Herden von schwarzen Schafen, die auf der gelben Stoppel unter der Sone weiden. Wegen der Müdigkeit, wegen des Staubes.

23. Weil manchmal der Sommerhimmel schwarz wird, und es ein paar Tropfen regnet. Du sitzst in der Zitadelle des Shiraz, und wartest, dass die Frische komme.


24. Weil es überall Wachttürme und Flak-Geschütze sind, und staubige und unrasierte und vergessene Soldaten, die in ihren Bunkern gelangweilt sind, entlang der Grenze zu Nakhchivan (ebenso wie staubige und unrasierte und vergessene sind diejenige auf der anderen Seite der Araxes).


25. Weil du lernen kannst, einen Teppich zu entziffern, den Himmel und die Sterne lesen, die Gärten und Paläste, Bäume, Berge und Schlangen, Hähne, Pfauen und Löwen und Fischteiche – das ganze Paradies innerhalb seiner gezackten Wand.


26. Weil ganze Tagen passieren, ohne dass du einen einzigen Hund siehst, und du kannst damit spielen, die zu zählen, um die Monotonie der Fahrt zu brechen.

27. Weil die Widder, wie ehemals in Ur, noch auf ihren Hinterbeinen stehen, um die Blätter der Bäume zu fressen.


28. Weil du dich endlos bei dieser Währung mit mehreren Nullen, zwischen den Preisen in Toman, und den mit den Porträts des Ayatollahs geschmückten Rial-Banknoten verwirrst – er sagt 10, spreizt seine zehn Finger, ich denke, 10.000 Toman, das heißt, 100.000 Rial, aber jetzt rührt er zweimal die Hände, nein, das ist dann wahrscheinlich 20 oder 30, das heißt, 300,000 Rial?

29. Weil man dir vor der Reise gesagt hat, nicht über Politik oder Religion zu sprechen, aber jeder will mit dir über Politik oder Religion reden.

30. Weil die Regent-Moschee in Shiraz wie ein dunkler Wald aussieht.


31. Um in der Masse des Basars verloren zu gehen – oder um auf den verlassenen Avenuen zu spazieren. Wegen der gegen eine Wand schlafenden Musikern. Wegen der ihre Karren schiebenden alten Männer. Wegen allen, die ihre Teppiche im Schatten der Bäume entlang der Straße weben.


32. Weil die Reisende Persien seit vielen Jahrhunderten durchstreifen, und es gibt keinen Grund, damit aufzuhören.

33. Weil Tabriz oder Soltanie nicht viel seit dem Jahr 1673 geändert haben, und Jean Chardin konnte nun das gleiche Mausoleum von Öldscheitü, des achten Ilkhanid-Khans abbilden, der 1316 starb, und zehn Jahre zuvor ein Brief an den französischen König Philipp der Schöne sendete, um ih eine Bündnis vorzuschlagen.


34. Weil an der Biegung einer Straße, die Krümmung der Berge, die Farbe der Erde, die Klumpen von Dörner, die lange dunkle Wolle der Schafe, der auf seinen Stab gestützte Schäfer, alle an Giotto und die Toskana erinnern.


35. Weil du vor der Reise alles erlernen wolltest, für dessen Studie du nie Zeit hattest: den Zoroastrismus, die Gnostiker, den Messianismus, den Neuplatonismus, die Schia, die Geschichte der Mongolen, die Seldschuken, die Achämeniden – und sobald angekommen bist, nichts zählt, sondern nur das Persisch, der Orientierungssinn, die Busfahrpläne, die Taarof, die Gebärdensprache, die Geduld, die Weisheit…


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