V/24 [24. Mai 1900.] Ihre werte atress [Adresse] habe ich von Herrn Jenö Singer erhalten, und bitte meiner auch gedenken mit Gruß: Franz Horváth. / Meine atresse [Adresse] ist. Budapest II. Bez[irk], Csónak gasse N° 13.
Diese in mit Französisch gemischtem schlechtem Deutsch geschriebene Postkarte wurde von einem der schönsten Orte der Welt zum anderen geschickt: von unter dem Schloss von Buda – nur ein paar Meter von der scharfen Kurve, wo im Jahre 1937 Wilhelm Miklas und Miklós Horthy zum Schloss aufschwenkten – zu unter dem Palazzo Vecchio von Florenz, nur zwei Straßen vom Ponte Vecchio und die Biblioteca Nazionale, aus dessen Fenster man einen jede Forschung ernsthaft behindernden Blick über den Arno genießt.
Im Vordergrund der in den letzten Monaten des vergangenen – oder in den ersten Monaten des neuen? – Jahrhunderts geschickten Postkarte kann man noch den majestätischen Schlossbasar erblicken, der nach der Zerstörung im Krieg gerade in diesen Tagen wieder aufgebaut wird. Und im Hintergrund die romantischen Gassen des Montmartres von Budapest, der Tabán, die ohne einer Spur während der Abbauten der 1930er Jahre verschwinden werden. Ihre zauberhafte Welt wird auf solchen Seiten rekonstruiert, wie Tabán Fotogalerie, Tabán Anno, Falanszter, die interaktive Karte des alten Tabáns, die Jubileumszusammenstellung von Cink.hu, und natürlich die Schriften der hervorragenden Stadthistorikerin Noémi Saly und die vor kurzem von ihr organisierte große Tabán-Ausstellung.
Neben dieser Postkarte finde ich auch ein weiteres Multikulti-Brief auf dem Berliner Flohmarkt. Der mit französischem Briefkopf versehene und auf Deutsch angesprochene Umschlag wurde 1943 mit griechischen Briefmarken und mit dem Hakenkreuz-Poststempel der deutschen Besatzungsbehörden, aber mit einer Militärzensur-Etikette in Italienisch nach Berlin geschickt. Dies aber lasse ich zum Genuß von anderen Spezialisten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen