Als ich das dicke Seil quer über die Straße gespannt erblicke, die Feuer am Straßenrand, die maskierten Personen, die sich uns nähern nach dem Dorf Sanavardo, am Ufer des Alazani-Flusses, sofort erinnere ich mich an Kapuścińskis Berichte über die Straßensperren und Erpressungen der afrikanischen Milizen, und schalte in den Rückwärtsgang. Allerdings winken die Maskierten, dass es kein Problem gibt, wir können ruhig kommen. Es fällt mir ein, was ich in der vergangenen Nacht über die lebendigen Karnevalsbräuche von Kachetien gelesen habe, aber immer noch zögere ich. Sie versammeln sich freundlich um uns, sie erklären etwas im lokalen Dialekt, phuli, phuli, Geld, Geld, wiederholen sie. Ich leere den Inhalt unseres Kleingeld-Beutels in ihre Hände, zwei oder drei Lari, ein oder zwei Euro. Sie erfordern die ritualle Maut auch von Lloyd, und sind nicht von unserer Behauptung bewegt, dass das Kleingeld zu uns beide gehörte. Er muss eine Banknote von fünf Lari, etwa zwei Euro aufopfern. Das Seil wird gesenkt, wir können gehen. Nach wenigen Metern fällt es Lloyd ein, dass wir hätten auch ein lokales Lied mit dem Akkordeonspieler aufgenommen können. Wir ziehen ans Ufer des Alazani ab, und er geht zurück mit dem Recorder, wie ein Béla Bartók,
Béla Bartók sammelt Volkslieder mit Phonographen von slowakischen Bauern in Zobordarázs (heute Dražovce, ein Vorort von Nitra, Slowakei), 1907
oder wie ein Vladimir V. Akhobadse,
Der georgische Musikwissenschaftler Vladimir V. Akhobadse nimmt gurianische (Westgeorgien) Musiker an (das Foto wurde von uns gestern im Museum für Volksmusik in Tiflis kopiert)
schiebt den Recorder in ihre Gesichter, simghera, er sagt, ein Lied. Aus dem Lärm kann man deutlich hören nur khuti lari, khuti lari, sie benötigen weitere fünf Lari für die Show. Aber die Kakophonie macht es deutlich, dass das Akkordeon nur eine traditionelle Karnevalsdekoration darstellt, es wird keine Musik für wieviel Geld auch produzieren. Ein neues Auto kommt, es muss auch verzollt werden, so folgen wir auch unseren Weg weiter nach die mittelalterliche Stadt von Sighnaghi.
Simghera! – Khuti lari!
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