


Wenn sie aber erscheinen, sie sind die „ersten Barbaren“ in der Geschichte Europas, das erste von westlichen Quellen, insbesondere von Herodot ausführlich beschriebene asiatische Nomadenvolk. Die ihnen zugeschriebenen Gebräuche, vorüber auch Herodot im vierten Buch seiner Geschichte berichtet (wie das Anfertigen von Trinkbecher aus dem Schädel des Feindes) werden später zu Topi der antiken und mittelalterlichen europäischen Literatur, und wir finden sie auch in der Beschreibungen anderer nomadischen Völker aus dem Osten.

Aus der aktuellen großen Krimausstellung des LVR-Landesmuseums, Bonn.
Herodot erzählt mehrere skythischen Ursprungsmythen, darunter eine, die er „von den entlang dem Pontus lebenden Hellenen gehört hat“. Nach dieser Geschichte hat Herakles, während er das Vieh Geryons im Gebiet der zukünftigen Skythia trieb, seine Pferde in einem Schneesturm verloren. Auf der Suche nach ihnen kam er in ein Land namens Hylaia, wo in einer Höhle traf er die Mixoparthenos, die Königin der Region. Dieses Wesen mit einem weiblichen Oberkörper und einem schlangenförmigen Unterkörper hat ihm kundgegeben, dass seine Pferde bei ihr sind, aber im Austauch für ihre Rückkehr hatte der Held mit ihr zu schlafen. Schließlich erzeugt Herakles drei Söhne – Agathyrsus, Gelonus und Skythes – der Mixoparthenos, und sagt ihr, dass derjenige, der fähig wird, seines Vaters Bogen zu spannen und seinen Gürtel sich anzulegen, wird es verdienen, zum König der Region zu werden. Dies wird der jüngste Sohn, Skythes, der Vorfahr der Könige der Skythen, während die Skythen, „um den von Herakles Gürtel hängenden Trinkbecher zu gedenken, noch heute tragen Trinkbecher am Gürtel“.

Das sirenenähnliche Wesen dieser gemischten Geschichte, die, als Neal Ascherson darauf hinweist, sowohl griechische und östliche Elementen enthielt, wird bald zum Symbol des Bosporanischen Reiches von einer gemischten, griechisch-skythisch-thrakischen Kultur, der die griechischen Kolonien an der nördlichen Küste des Schwarzen Meeres umspannt, sowie seiner Hauptstadt Pantikapaion (heute Kertsch), bis zu ihrer Zerstörung im 4. Jh. n. Chr. Allerdings erwähnt Ascherson auch eine noch interessantere Überlebensform der Mixoparthenos:
„Aber die Mixoparthenos hat auch auf eine andere, ganz praktische Art überlebt. Sie ist zu Griff geworden. Ihr schlanker, außen geschwungene und dann am Kopf und an den Schlangenbeinen wieder zurückgelegene Körper wurde zu einem dekorativen Henkel, auf dem Rand von Keramiktassen gebacken, oder um die Hälse der Bronze- und Glasgefäßen genietet oder geschweißt. Sie blieb namenlos, aber nützlich, lange nachdem ihre Stadt niedergebrannt war und ihre Kinder die Bühne der Geschichte verlassen haben.
Die Mutter der Skythen, obwohl unbekannt, lebt noch unter uns. Kürzlich habe ich in einem der alten Habsburgerbahnhöfe von Budapest etwas ungewöhnlich gefühlt, als ich den schweren Doppeltür des Fahrkartenbüro aufmachte. In meinem Hand lag es ein von Millionen von Reisenden polierter Messinggriff, der eine unter ihrem Nabel in zwei gewundenen Schlangen geteilte nackte Frau darstellte.“ (Neal Ascherson: The Black Sea)

Ich habe aber vergeblich ihre Spuren in den Bahnhöfen von Budapest gesucht, die Mixoparthenos konnte nicht gefunden werden. Der von Ascherson gesehene Türgriff wurde warscheinlich ersetzt. Aber auch so hat sie nicht spurlos verschwunden. Obwohl sich seine Figur mit den gemeinsamen Sirenen (genauer, mit ihrer zweischwänzigen Version, der Melusina) zusammengeschmolzen ist, können wir die skytische Matriarchin mit ihren doppelten Schlangenbeinen noch heute sehen, und zwar in einem höchst ungewöhnlichen Ort, auf das Logo der Starbucks Koffeehäuser.

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