Jetzt sehen wir sie wie sie ist. Wir können uns aber die Torfkirche (Hofskirkja) der kleinen Gemeinde Öræfi im Süden von Island auch vorstellen als ein einfaches Bauernhaus, ein Ort der Zuflucht und des notwendigen Rückzugs mit einem Blick auf die desolate Wiesen entlang des Meeres. Man begrabt hier auch die Toten, unter einem unfreundlichen Erde und nach einem Leben harter Arbeit. Dieser Bereich war immer vom Rest der Insel getrennt, weil auf der benachbarten, leicht überfluteten Ebene war die Aufenthaltung jeglicher Straße unmöglich. Die steilen Felsen hinter der Kirche haben alle Alternative der Annäherung des Dorfes ausgeschlossen. Nun, als die Island-Ring ist vollständig und sicher, kann Öræfi aus Reykjavik in einem Atemzug erreicht werden.
Das Leben auf dem Bauernhof hat sich kaum verändert, seit die heutige Kirche zwischen 1883 und 1885 gebaut wurde. Sie wurde sicherlich über einer anderen errichtet, deren älteste schriftliche Erwähnung aus 1343 stammt. Das Gebäude in seiner jetzigen Form wurde aus ein Meter lang und 5-10 cm großen Blöcke von Strengur, Torf gebaut. Sie gehört zu einer Zeit, wenn diese Art in der ganzen Island weit verbreitet war. Die wenigen überlebenden Exemplare brauchen dringend Herstellung, wenn auch nur als Zeugnis einer weit entfernten Vergangenheit. Und natürlich damit sie in die die Insel nährende Touristindustrie integriert werden.
Allerdings scheint es, dass der Versuch, diese Gebäude als Teile des Welterbes zu schützen, wird zu ihrem Ende bringen. Ihr Baustoff ist sehr instabil – in der Tat, es ist lebendiges Material –, und sie erfordern ständige Aufmerksamkeit und schnelle Erneuerung. Die konservative Kulturpolitik dieser Gebäude, als ob sie mittelalterliche Gemälde wären, wo man den genauen Pinselstrich des Malers bewahren muss, hat dazu geführt, dass die wenigen traditionellen Meister, die immer noch mit diesen Techniken bauen, verweigern jede aktive Zusammenarbeit in ihrer Aufenthaltung. Sie beschweren, dass man von ihnen erfordert, sogar die Blöcke zu nummerieren und nach jedem Eingriff an ihre ursprünglichen Plätze zurückzusetzen. Für sie ist das Gebäude kein endgültig bestimmtes Wesen, sondern ein lebendiger Organismus, der durch Regeneration und nötigenfalls vollständige Erneuerung überleben muss, wie die Natur erneuert und explodiert sich in dieser vulkanischen Insel jedes Jahr nach dem Eis des Winters.
Rund um die Kirche gibt es ganze Generationen von anonymen Gräbern, weichen Erdhügel. Auf einigen hat man die Kreuze erneuert, und die Plaques mit den Namen und Daten sind gut lesbar. Und es gibt auch einige, die wirklich jünger sind. Unter dem mehrere Monate lang dauernden kalten Eispanzer der Oberfläche erneuert sich das Land von Island jedes Jahr. Im Frühling sieht man wieder überall die vulkanischen Wurzeln der Insel. In diesem Friedhof ist es nicht schwer, die surrealistisch sentimentalische Dichtung der uruguayischen Juana de Ibarbourou nachzufühlen:
Amante: no me lleves, si muero, al camposanto. A flor de tierra abre mi fosa, junto al riente alboroto divino de alguna pajarera o junto a la encantada charla de alguna fuente. A flor de tierra, amante. Casi sobre la tierra, donde el sol me caliente los huesos, y mis ojos, alargados en tallos, suban a ver de nuevo la lámpara salvaje de los ocasos rojos. A flor de tierra, amante. Que el tránsito así sea más breve. Yo presiento la lucha de mi carne por volver hacia arriba, por sentir en sus átomos la frescura del viento. Yo sé que acaso nunca allá abajo mis manos podrán estarse quietas. Que siempre como topos arañarán la tierra en medio de las sombras estrujadas y prietas. Arrójame semillas. Yo quiero que se enraícen en la greda amarilla de mis huesos menguados. ¡Por la parda escalera de las raíces vivas Yo subiré a mirarte en los lirios morados! | Nimm mich nicht in den Friedhof, mein Liebe, wenn ich sterbe, auf der Oberfläche öfne mir das Grab neben dem göttlichen Treiben einer Voliere oder der verzauberten Plauderei einer Quelle. Auf der Oberfläche, mein Liebe. Fast darüber, damit die Sonne meine Knochen wärmt, und die Augen mit verlängerten Stielen kommen wieder zu sehen die wilden Blitzen der roten Sonnenuntergänge. Auf der Oberfläche, mein Liebe. Damit der Übergang kürzer seie. Ich ahne den Kampf meines Leibes vor, wieder an die Oberfläche zu kommen, um die Frische des Windes in seinen Atomen zu fühlen. Ich weiß, dass dort unten können meine Hände nie still bleiben: wie Maulwürfe gehen sie herum, die Erde kratzend zwischen depressiven und schmalen Schatten. Wirf Samen auf mich. Damit sie sich einwurzeln im gelben Ton meiner sich auflösenden Knochen. So entlang der braunen Leiter der lebenden Wurzeln komme ich auf, dich in den Lilien zu schauen. |
Die himmlische Sonne sank in den Nest des Ozeans (Iceland’s Folksong Heritage. Vom Album Classic Collection von Bjarni Dorsteinsson)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen