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So, die Kirchen.
Sie wurde begeistert. Ja, es gibt Kirchen, aber sie weiß nicht genau, wo. Nein, sie war noch nie dort, sie weiß nicht, wie eine Kirche aussieht, und außerdem dachte sie, dass als Muslim wäre es ihr verboten, eine Kirche zu betreten. Allerdings, sagt ihr Freund, bezieht sich dieses Verbot auf mich nicht… aber zu diesem Zeitpunkt war es schon dunkel. Sie fragten die Ladenbesitzer der Gegend. Ja, die Kirche ist dort versteckt, in jenem Block von Häusern. Wir mußten viele kleinen Gassen durchbrechen, eine Sackgasse durchstreifen, und wir waren da. Ein Tor, eine Gegensprechanlage, eine lange Diskussion. Der Wächter, der den Tor für uns öffnet, wirft einen Blick auf das in Tschador gehüllte Mädchen, und lässt sie als erste ein: „wer könnnte dich sehen?“ Gebäud auf dem Hof, mit geschlossenen Fenstern, er muss die Ketten von dem Tür abnehmen – die Kirche ist nur zu Weihnachten und Ostern offen. Es ist eine neue Kirche, leer und hässlich, wo nichts an Marco Polos Besuch im 13. Jahrhundert erinnert, aber es gibt dort der Wächter, der uns erzählt, die wachsende Erregung, die Fragen, die Hände, die herausreichen und sich drücken, die Danksagung. Und ich plötzlich verstehe, dass der junge Polyglott neben mir, der sich zuvor für einen Touristen ausgab, und Italienisch zu mir gesprochen hat, jetzt fragt auf Persisch, ob er erlaubt werden könnte, Armenisch zu lernen. „Ja“, antwortet der Wächter, dann zögert er, weil, sagt er, die Sprachkurse sind auch Religionsunterricht. Dennoch gibt er eine Telefonnummer und Namen.
Zwei oder drei Tage später, als ich im Basar auf einem Haufen Teppich sitze, erschient der Junge, und flüstert mir zu, dass er angerufen und jemanden getroffen hat, und dass er die Kurs folgen kann, natürlich ganz allein, im Geheimen, und ohne Zwang…
Und dass er an diesem Morgen bereits seine erste armenische Lektion bekommen hat. Das Alphabet.
Und das Mädchen? Als sie am Abend ihrer Mutter erzählt, wie sie mit mir in der Nacht zum Besuch der armenischen Kirche ging, die sich im Labyrinth der Gassen versteckte, in einem geschlossenen Hof hinter den hohen leeren Wänden, und wie der Wächter ihr die Bilder erklärte, die vier Evangelisten, Christus am Kreuz im Chor, die Grabsteine mit ihren langen Epitaphien an den Seitenwänden, und wie wir drei mit dem alten Wächter im Halbdunkel der Kirche gesprochen haben, ihre Mutter hat ihr herzlich gratuliert.
Danach gingen wir mit ihrem Vater, um andere armenische Kirchen zu besuchen in den Bergen, weit weg von den Augen der Welt. Auch er wollte eine Kirche sehen.
Von Tabriz wir fuhren nach Jolfa, an der Grenze zu Nachitschewan, eine aserbaidschanische Enklave zwischen Armenien und dem Iran. Auf der anderen Seite des Flusses Araz – der alten Araxes – liegt eine kahle Hügellandschaft, rote Erde, und in der Mitte, ein hellblauer Berg, wie ein Kegel. Dies ist Ilandag, der Schlangenberg, ein riesiger blauer Zahn, der die Landschaft Nachitschewans dominiert. Wahrscheinlich ein Vulkan, von dem gesagt wird, dass die Arche Noah angeschlagen wurde, während sie in der Sündflut driftete. Es ist von weitem zu sehen. Ich war nicht in Nachitschewan, ich bewunderte ihn nur von der iranischen Seite des Araz, der hier ein Grenzfluß ist. Auf der anderen Seite, am Fuße der roten Felsen, ein Eisenbahn, Baracken, und Wachtürme.
Und es gab auch andere Wachtürme entlang der Grenze, und Flakbatterien, und staubige und unrasierte Soldaten, die in ihren vergessenen Festungen langweilten an beiden Ufern des Araz. Einmal hielten wir, um Fotos von der Landschaft auf der anderen Seite des Flusses zu machen, von den zerrissenen roten und braunen und rosa und weißen Bergen, und dem Ilandag in der Ferne. Eine laute Stimme aufgellte aus einem kleinen Bastion, fast vom Ufer des Araz, „verboten“, sagte die Stimme. Keine Bilder dann, so sitzen wir zurück ins Auto, gehen hundert Meter weiter, und nach der Wende halten wir wieder. Der Winkel is not so gut, aber keine Soldaten in Sicht. Später sind wir angehalten. Die beiden Soldaten sind jung und lustig, wir können nicht weiterfahren, sie sagen, es gibt eine chemische Verunreinigung. Unmöglich, wirklich gefährlich. Sepideh und ihr Vater versuchen, sie zu überzeugen, wir kamen von so weit (vor allem ich), und alles vergebens, was für eine Schande. Die Soldaten bücken, um mich zu sehen, und sie empfehlen uns, mit ihrem Vorgesetzten zu sprechen. Wir fahren ab. Ein Feldweg, ein Betonkubus mit Stacheldraht unter einer sengenden Sonne. Unter einer Tamariske, ein gelber Hund beobachtet mich, ohne sich zu bewegen, als ich annähere. Im Hintergrund der Araz, das sich bewegende grüne Wasser, die roten Berge, und der graublaue Ilandag. Stickige Luft, blendendes Licht, Wärme. Noch nicht die schreckliche Hitze der Wüste, die kommt erst später, aber in diesem Augenblick schien diese die heißeste Hitze, die ich ertragen könnte.
Der Vorgesetzte kommt aus dem Betonkubus aus, zieht den Stracheldraht zurück, und kommt zu uns. Eine müde Grimasse auf seinem jungen Gesicht, seine Augen blicken an mich von der Seite. Ein gut aussehender blonder Junge, der sich in seinem Wachposten langweilt. Er hört unsere Bitte an, zuckt mit den Schultern, und zieht einen Stift aus der Tasche. Er zeichnet einen Pass mit feinen Arabesken in der Handfläche des Fahrers, gerade auf der Haut. Wir passieren die Absperrung. Ein paar Hundert meter weiter wird der Weg neuasphaltiert – das muss es sein, die chemische Verunreinigung.
Nach diesem beginnt die kurvenreiche Straße zwischen den Felsen, sie steigt auf, dann steigt sie entlang eines steilen Hangs ab, mit dem grünen Fluss weit unten. Die Felsen sind kahl, lila und orange, mit gelben Büschen betupft. Der Fahrer verlangsamt und weist auf einen Steinhaufen auf einem Hügel. Diese sind die Überreste einer kleinen Kirche, die Kirche der Hirten, Kelisâ-ye Chupân, 1518 gegründet.
Zehn Kilometer weiter, in einem Ort, der plötzlich zu einer Oase wird, eine Gruppe von Bäume steht in einem Hain. Wir kamen zu einer der schönsten armenischen Kirchen von Iran, die befestigte Kloster von St. Stepanos. Das Tal ist menschenleer, niemand hat hier seit Jahrhunderten gelebt. Einmal streckte sich Armenien von hier bis zum Van-See, Tabriz war sein letzter Punkt nach Osten, und Jolfa eine wichtige Station auf der Seidenstraße, eine Stadt von geschätzten Handwerker und Händler. In der Renaissance hatte Jolfa Handelsvertreter sogar in Amsterdam.
Doch zwischen den Persern, den Russen und den Türken geklemmt, konnte die Region nicht für immer außerhalb der Konflikte bleiben, die den Kaukasus durch Jahrhunderte aufwühlten. Und in 1606, als Shah Abbas den Bau Isfahans begann, lud er die Handwerker Jolfas, um dort niederzulassen und zu Baumeister der Stadt zu werden – und am Ende siedelte er die gesamte Bevölkerung Jolfas nach Isfahan. Im Ersten Weltkrieg war das Gebiet unter osmanischer Kontrolle, und nach 1915 versuchten die Türken, alle Spuren der armenischen Präsenz zu löschen. Keine Dörfer haben überlebt, nur ein paar Kirchen. Die einzigen Überreste Jolfas in der vorliegenden Enklave Nachitschewan, ein armenischer Friedhof mit fast zehntausend geschnitzten Grabsteinen aus der Zeit vor dem 17. Jahrhundert wurde 2005 vollständig von der aserbaidschanischen Armee zerstört. Oder besser gesagt, in den Worten von Aliyev, Präsident von Aserbaidschan, „kein armenischer Friedhof wurde zerstört, da gab es nie irgendwelche Armenier in Nachitschewan“.
Das Kloster St. Stepanos wurde vermutlich vor dem 7. Jahrhunder gegründet. Die Tradition bindet es zum Apostel Bartholomäus. Es nimmt eine Fläche von 70 × 50 Meter, mit einem hohen Festungsmauer und kreisförmigen oder halbrunden Türmen umgeben. Es hat zwei Innenhöfe, der eine vor der Kirche, der andere im Klostergebäude. Der Glockenturm wurde in der Nähe der südlichen Kirchenwand gebaut. Die kürzlich renovierte Kirche hat einen kreuzförmigen Grundriss mit drei Apsiden und einem kunstvoll geschnitzten Außen, die verschiedene Einflüsse zeigt, einschließlich die der seldschukischen Kunst, deren Wiederbelebung war charakteristisch für die armenische Renaissance während der Safawiden-Periode im 17. Jahrhundert.
Der Ort war nicht ganz verlassen, alle Türen waren offen, die Wächter lächelnd und gesprächig, und die sehr wenigen Touristen neugierig und aufmerksam. Nur Iraner. Oder vielleicht Armenier. Ja, der Wächter war zu stolz auf das Fachwissen der armenischen Handwerker, um nicht einer ihrer Nachkommer zu sein.
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