Gül Baba Straße, Budapest, von hier
Wenn von den ungarisch-türkischen Beziehungen und den gemeinsamen Elementen der Vergangenheit der beiden Nationen die Rede ist, werden die meisten Ungarn sicherlich zwei Dinge erinnern: die Zeit der osmanischen Herrschaft (1526-1686), und die legendäre türkische Gastfreundschaft, mit der die ungarischen Kardeșler (Brüder) in den ganzen Türkei vom Basaar von Istanbul bis Antalya empfangen werden.
Damit beenden sich aber die ungarisch-türkischen Beziehungen nicht. Sie reichen viel weiter, sowohl in Raum und Zeit. Ihre erste Zeitperiode, lange vor der Ankunft der ungarischen Stämme ins Karpatenbecken rund 896, ist nicht nur durch das schon erwähnte sprachliche Erbe bestätigt, sondern auch durch die von Béla Bartók und, in jüngerer Zeit, von János Sipos geforschten Gemeinsamkeiten unserer Volksmusik. Diese musikalische Parallelen wurden eindrucksvoll für ein breiteres Publikum von der marokkanisch-ungarischen Volkssänger Majda Mária Guessous. vermittelt.
Das von Béla Bartók in Osmaniye gesammelte türkische Vokslied „Kurt paşa çıktı Gozan'a“ (Kurt Pascha zieht in Kozan ein), und seine ungarische Version, die von Zoltán Kodály in Hontfüzesgyarmat gesammelt wurde: „Üveg az ablakom, nem réz“ (Mein Fenster ist Glas, nicht Kupfer), aufführt von Majda Mária Guessous. Siehe hier das Video.
Dieses orientalische Erbe steht in scharfem Kontrast zu den hundertfünfzig Jahren der osmanischen Herrschaft, deren indirekte Wirkung ist noch zu spüren, und die, streng genommen, ein bißchen früher begann und ein bißchen später endete, als es in der öffentlichen Meinung lebt: das frühere mit der zweiten, und diesmal erfolgreichen Belagerung von Belgrad im Jahre 1521, und das letztere mit dem Friede von Passarowitz in 1718, der die osmanischen Herrschaft auch im letzten Gebiet des historischen Ungarns, im Banat von Temesch beendete. Und die Zeitrahmen der direkten Beziehungen können noch weiter verbreitet werden, von den ersten militärischen Kontakten in den 1370er Jahren, und der anschließenden Entwicklung des südlichen Festungssystems, bis zum „letzten ungarisch-türkischen Krieg“, der 1791 beendet wurde.
Die Erinnerung an den Feindseligkeiten wurde im 19. Jahrhundert zunehmend durch einer neuen pro-türkischen Annäherung überschrieben, nicht unabhängig von der zeitgenössischen Politik (wie wir es auch in Verbindung mit Sándor Kégls persische Reise erwähnt haben.), als ein neues Kapitel des Nationalismus und der Suche nach die historischen Wurzeln der Nation. Diese Suche, sowie der beliebte Orientalismus des 19. Jahrhunderts wurden zur Quelle der kräftigen ungarischen Orientalistik. Es ist interessant, dass, obwohl die während der zentralasiatischen Reisen von Ármin Vámbéry gesammelten Kenntnisse für die Idee des Panturanismus einen Anstoß gaben, diese war nie so stark in Ungarn, wie in Finnland oder Japan, wo sie große Popularität genoß (der finlandische panturanische Verband hatte vierzigtausend Mitglieder vor dem Krieg), oder in der Türkei, wo es für eine Weile die offizielle Ideologie war.
Dies und vieles mehr wurde von Pál Fodor, Turkologist und Historiker, Generaldirektor des Instituts für Geschichte der Ungarischen Akademie der Wissenschaften in seinem Vortrag „Ungarn und Türken in den Augen voneinander“ dargestellt. Der Vortrag wurde am 3 December in der Serie der Türkischen Kaffeeabende im Bobula-Palast des Yunus Emre Enstitüsü, das nach dem türkischen Sufi-Mystiker und Dichter genannte türkische Kulturinstitut veranstaltet.
Die jetzt vier Jahre alte Serie begann in vorbildlicher Weise als Bürgerinitiative. Ildikó Rüll und Ágnes Tóth, die Anglistik und Internationale Studien absolviert haben, organisieren sie von Monat zu Monat mit großer Begeisterung und Liebe für die türkische Kultur. Dank zu ihrer Anstrengung hat die Serie zum Flaggschiff des türkischen Kulturinstituts geworden. Vor der Vorlesung haben wir mit ihnen über die Kaffeeabend gesprochen, und Ágnes Tóth, die in der Zwischenzeit ist zu einer Vollzeit-Mitarbeiterin des Instituts geworden, äußerte auch über seine Betätigung.
Wann wurde das Institut gegründet, und welche sind seine Hauptziele und Programme?
Ágnes Tóth: Das Institut wurde offiziell im September 2013 eröffnet, aber wir hatten schon vorher eine Reihe von kulturellen Programmen organisiert. Die Kaffeeabende waren das erste Programm, das man in diesem Gebäude veranstaltet hat. Wir haben auch andere regelmäßige monatliche Veranstaltungen, wie die türkischen Filmabende, oder die „Yunus Emre-Gespräche“, nur in Türkisch. Wir haben auch einige Sonderereignisse, und nehmen an solchen populären Programmen wie die Nacht der Museen Teil, aber wir wollen auch mit anderen Veranstaltungsorten und akademischen Institutionen zusammenarbeiten. Im März hatten wir einen „Gül Baba Tag“, an dem wir mit der Ungarischen Akademie der Wissenschaften eine gemeinsame Konferenz sowie ein Konzert veranstaltet haben. Darüber hinaus unterrichten wir auch Türkisch. Vielleicht weichen wir von den anderen ähnlichen Institutionen darin ab, dass unsere Sprachlehrer sind ausschließlich Türken. Ja, jetzt haben wir auch einen ungarischen Lehrer, aber er hat auch in der Türkei gelernt, und wir fordern unsere Lehrer, akademische Qualifikationen an türkischen Universitäten und Diplom in türkischer Sprache und/oder Literatur zu haben.
Wie seht ihr, wie ist die Altersstruktur des Publikums an den Kaffeeabenden und anderen Veranstaltungen des Instituts?
Á. T.: Das hängt wirklich von den Programmen an. Zum Beispiel, die Filmabende werden von vielen jungen Leuten besucht, aber das Publikum der Kaffeeabende ist variabel, von den Studenten bis Leute in den siebziger Jahren. Ebenso haben wir im Tanzhaus und an den Sprachkursen Gymnasialschüler und Leute über siebzig. Es ist also sehr vielfältig. Natürlich versuchen wir, auch die junge Generationen zu erreichen, aber wir wollen nicht die wissenschaftlichen Themen zurückdrängen. Im Bereich der Musik wollen wir auch ein breites Spektrum aufweisen, von den Klassikern über Volksmusik bis Jazz. Wir haben schon alle Arten von Konzerten gehabt.
Wie haben sich die Kaffeeabende begonnen? Wie ist die Idee gekommen?
Ildikó Rüll: So Ági wie ich lebten in der Türkei, wir beide sind in seine Kultur verliebt, und beide kam nach Hause sehr begeistert, und waren auf der Suche nach Gelegenheiten, um diese Kultur auch zu Hause zu treffen. Wir trafen uns an einem dieser Ereignisse, und wir beschlossen, etwas regelmäßiges zu organisieren. Dies ist, wie die Kaffehausgespräche an jedem ersten Mittwoch veranstaltet wurden. Wir wollten einen unverbindlichen Gesprächsabend aufzustellen, jedes Mal ein Thema von dieser riesigen, kulturell vielfältigen Palette auswählend, dazu wir einen Experte einladen, aber wir bitten ihn, das Thema in nur 30 Minuten vorzustellen, und der Rest ist durch den Fragen des Publikums strukturiert, so dass diese Abende sind meist sehr interaktiv. Ich erinnere mich, wir begannen mit acht Teilnehmern, auf der Galerie eines kleinen Teehauses sitzend, es war sehr gemütlich. Später wurde das Gerücht verbreitet, jeder hat mehr Menschen eingeladen, wir wanderten von Ort zu Ort, und seit dem vergangenen Februar sind wir ständig hier. Das Institut war damals noch nicht offiziell eröffnet, aber wir waren froh, weil dies ist der beste Ort für diese Reihe, und sie waren auch froh, denn diese ist immer die Hauptveranstaltung des Instituts. Wir freuen uns, dass wir es geschafft haben, in vier Jahren eine ziemlich gute Basis zu ausgestalten. Wir sehen viele Stammgesichter, eine Gemeinschaft wurde gebildet, und wir auch lernen viel von dieser Nächten, weil keiner von uns ein Expert der Turkologie ist. Die Themen folgen unseren Interessenkreis, aber das Publikum kann auch Themen vorschlagen.
Á. T.: Und es ist auch wichtig, zu welchem Thema wir einen Redner finden, weil es gibt eine Vielzahl von Themen, die uns interessieren, aber es gibt keinen Expert darin.
Warum genau die türkische Kultur?
Á. T.: Wir selbst wissen noch nicht die Antwort auf diese Frage. (lacht)
I. R.: Ich pflegte zu sagen, dass es gibt Dinge, die man muss nicht unbedingt rational erklären.
Á. T.: Wir haben keine Familienbeziehungen. Unsere Story war einfach, dass wir beide nach Türkei furehn, und uns in sie verliebten. Ich war dort zunächst an einer Sommeruniversität, die von einer Studentenorganisation veranstaltet wurde. Es war denn, dass ich mich in das Land verliebte, und seitdem versuche ich, so oft wie möglich wiederzukehren.
I. R.: Und mein erstes Mal war eine private Reise. Vielleicht ist das, warum die türkischen Kaffeeabende so erfolgreich sind, weil wir es in einem anderen Licht betrachten, in der Tat ist jeder ein Außenseiter. Deshalb wollen wir unverbindliche Gespräche veranstalten, die bewusst von den akademischen Vorlesungen abweichen. Am Anfang sagen wir immer, dass es keine schlechten Fragen gibt, und jeder kann irgendwas fragen, und zu allem Bemerkungen haben. Oder wenn jemand denkt, dass er oder sie nur an den türkischen Kunsthandwerk interessiert ist, aber nicht an der Geschichte, dann nach ein paar Veranstaltungen können wir ihm zeigen, dass Geschichte und Literatur auch interessant sein kann, so können wir das Blickfeld derjenigen verbreiten, die sich bereits an den Themenkreis auf einer bestimmten Ebene interessiert waren.
Weißt ihr, wie viel ihr in der Türkei bekannt seid?
Á. T.: Nachrichten über das Institut erscheinen regelmäßig in der Türkei, denn es gibt eine Reihe von türkischen Nachrichtenagenturen, dessen Vertreter regelmäßig zu unseren Veranstaltungen kommen. Der erste Geburtstag des Instituts war zum Beispiel in der Türkei sehr stark angekündigt, aber ich weiß nicht, ob auch die Kaffeabende erwähnt wurden.
I. R.: Ich glaube, noch nicht, aber zum Glück in Ungarn sprechen immer mehr Leute über uns, und wir sind sehr froh, weil dies ist als eine Bürgerinitiative begonnen, hinter uns war niemand. Dies ist ein good news story, wie man eine solche Veranstaltung in Zusammenarbeit mit anderen starten kann.
Es war sicher nicht einfach, es zu finanzieren, vor allem am Anfang…
Á. T: Ja, zunächst gingen wir zu Orten, wo wir keine Miete bezahlen mussten, und wir haben immer eine Schokolade auf unser eigenes Geld für den Redner gekauft, die, nebenbei bemerkt, vorlesen ganz ohne Bezahlung. Und dann, als das Ereignis wuchs, mussten wir größere Orte finden, wo wir Miete, und auch für die Technologie, die Beschallung, den Projektor bezahlen mussten. Wir lösten dies, indem wir mehrere türkische Geschäftsläute aufsuchten – nicht nur einen Sponsor, da auf diesesr Weise hätten sie uns wahrscheinlich nicht unterstützt, aber einen anderen Person jeden Monat, der die kleine Mietegebühr für uns bezahlte, und im Gegenzug haben wir sein Logo dargestellt und ihren Namen verkündet. Aber es gab auch einige Gelegenheiten, bei denen wir keinen Sponsor finden konnten, dann sammelten wir Spenden. Wie auch Ildi sagte, wir hatten viele wiedrkehrenden Gäste, die wussten, dass wir schon seit vielen Jahren an dieser Reihe arbeiten, und dass wir es wirklich liebten. Wir haben eine kleine Schachtel am Eigang gestellt, und wir haben gesagt, dass wenn ihnen der Abend gefallen ist, sie sollten mit einer kleinen Spend dazu beitragen…
I. R.: …und in der Tat, jeder trug mit fünfzig Cent, ein Euro bei, damit wir die Summe für die nächste Miete gesammelt haben. So konnten wir die nächste Gelegenheit mit ihnen und für sie organisieren.
Wie habt ihr die Sponsoren gewählt? Habt ihr beispielweise versucht, einen Sponsor zu finden, der mit dem Thema des Abends in Verbindung stand?
Á. T.: Nein, wir suchten sie auf nur auf der Grundlage der Bekanntschaft.
I. R.: Da es wir beide neben unserer Hauptarbeit taten, es war nicht so bewusst auf einer thematischen Linie organisiert. Jetzt, als Ági im Institut arbeitet, versuchen wir, auch die Kaffeeabende zu den sich jeden Monat oder zwei Monate ändernden Themen des Instituts zu anpassen.
Was sind eure Pläne für die Zukunft? Plant ihr auch andere Programme, zum Beispiel Stadtführungen mit Schwerpunkt auf den osmanischen Monumenten von Budapest?
Á. T.: Die regelmäßigen Veranstaltungen des Instituts gehen weiter, und wir werden sicherlich an der Nacht der Musen teilnehmen. Wie bisher, werden wir versuchen, ein spezielles Thema für jeden Monat zu finden. Die nächste Mai wird beispielweise etwas Besonderes sein, denn wir konzentrieren auf die Gastronomie, es wird traditionelle Frühstücken, Abendessen, Kochkurse geben.
I. R.: Viele Leute kommen zu uns, und sagen, wie gut es wäre, wenn wir thematische Stadtrundfahrten organisierten, so dass wir denken darüber. In Wirklichkeit hängt alles von unseren Ressourcen an, ob wir auch auf dies konzentrieren können, und genug Energie haben, um es zu organisieren. Aber es wäre sehr gut, jetzt, wenn eine Gemeinschaft bereits durch die Kaffeeabende geschafft wurde, an der wir schon bauen können.
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