[23. Dezember 1914.]
Name des Absenders: K. Timó, Budapest, 1. Infanterie-Regiment
Adresse des Absenders: 3. Marschkompanie, 4. Zug
Adresse: An das geehrte Fräulein Antónia Zajác
III. Bezirk, Kis Korona Straße 52.
Budapest
Mein lieber Sohn!
Ich wünsche ein frohes Weihnachtsfest an dich, deine Mutter und Schwestern, in der Hoffnung, dass im nächsten Jahr um diese Zeit können wir zusammen sein, nicht so zerissen. Dieses Jahr werden wir schon hier bleiben. Aber ich glaube nicht, dass es irgendeinen Ausgang geben wird, weil sogar unser Mittagessen wird hier zum zweiten Stock aufgebracht.
Bitte komme, in der gleichen Weise, als wir es letzte Woche vereinbart haben. Heute gehen wir zur Beichte. Wie geht es dir? Ich fühle mich, als wäre ich im Gefängnis.
Grüße an deine Mutter und Schwestern.
Umarmungen und Küsse
Károly
[Wir werden nie wissen, ob unter den Bedingungen der Alarmbereitschaft es ihm gelungen ist, mindestens für eine Stunde zu Hause zu gehen. Oder ob er sich wenigstens verabschieden konnte.
„Heute gehen wir zur Beichte.“ Es ist eine praktische Maßnahme: in der Feuerlinie gibt es wenig Zeit, um mit solchen Dingen umzugehen.
Die in Budapest verbrachten Weihnachten, auch wenn man sich wie in einem Gefängnis fühlt, sind tausendmal friedlicher als mit den Truppen auf dem Schlachtfeld.
Man würde annehmen, dass es auf dem heiligen Weihnachtsfest zwischen den verfeindeten Parteien zumindest für eine kurze Zeit Frieden gibt. Die zwei verschiedenen Kalender würden darauf Möglichkeit geben.
Ein Blick auf den aktuellen „Höferbericht“: er sagt so wenig, dass diejenigen zu Hause könnten sich sogar friedliche Frontbedingungen vorstellen.
Diese Posts in der Regel vermeiden jede aus nachfolgenden Wissen stammende Weisheit, da die Akteure wußten nicht, was die Zukunft, auch der nächste Tag für sie bringen wird. (Und wenn sie es wussten, was hätten sie getan? Eine interessante Frage, aber jetzt ein Randthema.)
An diesem Punkt ist es jedoch sinnvoll, die nach dem Krieg veröffentlichte Chronik des Regiments zu öffnen, obwohl sie auch eine ganze Reihe von
Höfers enthält. Das mit dem Russen auf dem Kamm der Karpaten kampfende Regiment von Károly wurde bisher schon fast völlig zerstört. Die Chronik, wenn auch in einer polierten Form, und die Details großzügig verbergend, berichtet über schreckliche Verluste, als die russischen Angriffe immer wilder werden, statt der erhofften Glättug des Kampfes vor dem Heiligabend.
„Unter dem Druck dieser Situation hat das Regiment
am 22 Dezember um drei Uhr morgens das Rückzug durch Korcina zur nordwestlichen Ausfahrt von Krosno begonnen. In völliger Dunkelheit gelang es ihnen, sich vom Feind zu lösen, und mit gesenkten Köpfen in den tiefen Schlamm marschierend, vor Krosno auf den Anhöhen Nachhutstellungen aufzunehmen, wo sie schon am drei Uhr nachmittags schwere Kämpfe mit den vorrückenden Russen kampfen. Dann zogen sie durch Krosno zu Suchodel zurück, wo sie die Anhöhen besetzten, und den Rückzug des Rests der Division bis zwei Uhr morgens bedeckten.
Am 23 Dezember um drei Uhr nachmittags, nachdem sie Konserven und Brot fassten, marschierte das Regiment durch Suchodow, Miesto, Piastówe, Royi und Rowno, und in den nördlichen Ausläufern des Zboiska besetzte neue Nachhutstellungen. Um drei Uhr nachmittags ein starkes Feuergefecht entwickelte sich zwischen der eigene und feindliche Artillerie und Infanterie, das sich während der ganzen Nacht fortsetzte. An diesem Tag wurde nur Kaffee und Brot zum Essen verteilt.
Am 24 Dezember war das Artilleriefeuer schon am Morgen so intensiv, dass es nur mit dem späteren Trommelfeuer der Isonzo verglichen werden könnte…“]
Ein seliges und friedliches Weihnachtsfest an alle Leser!
Nächste Postkarte: 31 Dezember 1914