In einem Glas Wasser

Ein ganz kleines Schiff ging auf dem Meer.
Es beleuchtete stark, für sich selbst, und um gefunden zu werden.
Die dünne Mondsichel und die Milchstraße blinzelten zurück.
Es setzte alle Navigations-Fähigkeiten ein.
Vielleicht seine Karten waren alt. Oder ein Fehler schlich sich in die Berechnung ein.
Manchmal als ob etwas verschob am Rand des Horizonts.
Niemand.


Lied der Bettler


Wir haben mehrmals über die seltsamen Koinzidenzen geschrieben, die Spanien und Ungarn, diese zwei fines terrae des alten Europa mit geheimnisvollen Fäden verbinden. Als ein neueres Beispiel veröffentlichte die ungarische und spanische Presse in der gleichen Woche, dass dank der Krise und dem erstaunlich ähnlichen politischen Klima, aus beiden Ländern 500.000 Menschen auf der Suche nach Arbeit in Ausland gingen. Was natürlich bedeutet eine unterschiedliche Proportion in Ungarn, als in Spanien mit seiner fünfmal größer Bevölkerung.

Und es ist noch erstaunlicher, dass jene, die in den letzten hundert Jahren Spanien verließen, haben von ihrer Heimat Abschied genommen und sich im Ausland an sie erinnert mit dem Lied der ungarischen Bettler.


José Serrano, Canción húngara, von José Carreras gesungen

Das Lied ist die letzte Arie der traditionellen Zarzuela – Stück von Volkstheater – Alma de Dios, wo die ungarischen Bettler als eine bunte Nebenepisode auftauchen, um ihr Heimweh zu besingen. Vielleicht sogar der Ungar und sein Bär sungen es während ihrer Wanderung in der Dörfern der Pyrenäen. Das Stück, das in 1907 von José Serrano, der Autor der Hymne von Valencia geschrieben wurde, wurde durch dieses Lied in ganz Spanien sehr beliebt gemacht. Als Wang Wei sich daran erinnert:

In den 10er und 20er Jahren des 20. Jahrhunderts, mit dem Erfolg der Zarzuela (vor allem in der Gesellschaft von Madrid, wovon die Mode im ganzen Land verbreitete) wurde dieses Lied sehr bekannt, und von allen Arten von Menschen im ganzen Land gehummt. Meine Großmutter sung es mit einem solchen Gefühl, als ob sie eine ungarische Vertriebene wäre. Ich denke, ein wichtiger Grund dafür war, dass in diesen Jahren viele Menschen aus Spanien nach Amerika ausgewanderten. Auch der Vater meiner Großmutter bewegte in dieser Zeit nach Havanna, um Arbeit zu suchen. Er kehrte nach Hause mit mehr oder weniger dem gleichen Geld, als er abfuhr, aber nach langen Jahren von Trennung von seiner Familie, und natürlich älter und enttäuschter.

Andere haben sich auch daran erinnert, dass ihre Ur-Großvater während der Arbeit auf dem Feld immer dieses Lied sung. Und es kann kein Zufall sein, dass es in den letzten Jahren eine neue Popularität gewonnen hat, von solchen Meistern durchgeführt, wie José Carreras, Alfredo Kraus und Plácido Domingo.

Canta, mendigo errante,
cantos de tu niñez,
ya que nunca tu patria
volverás a ver.

Hungría de mis amores,
patria querida,
llenan de luz tus canciones,
mi triste vida.
Vida de inquieto
y eterno andar,
que alegro solo
con mi cantar.

Canta vagabundo,
tus miserias por el mundo,
que tu canción quizá
el viento llevará
hasta la aldea
donde tu amor está.

Es caminar siempre errante
mi triste sino,
sin encontrar un descanso
en mi camino.
Ave perdida,
nunca he de hallar
un nido amante
donde cantar.
Sing, wandernder Bettler
die Lieder deiner Kindheit,
denn wirst du schon niemals
mehr deine Heimat sehen.

Ungarn, meine Liebe,
mein geliebtes Land,
deine Lieder füllen mit Licht
mein trauriges Leben.
Mein rastloses Leben
und ewige Wanderschaft,
die ich nur durch Gesang
kann aufheitern.

Besing, Vagabund,
dein Elend in der Welt,
vielleicht dein Lied
wird von dem Wind genommen
in das ferne Dorf
wo deine Liebe lebt.

Eine ewige Wanderschaft
ist mein trauriges Schicksal,
ohne eine Pause
auf dem Weg zu finden.
Ein verlorener Vogel,
ich kann niemals finden
ein liebevolles Nest,
wo zu singen.

Zigeunerstadt


Man sagt, das El Vacie in Sevilla die älteste noch bestehende informelle Siedlung in Europa ist. Gegründet im Jahre 1932, sie wurde nach Francos Machtübernahme aufgebläht, als die ärmsten Familien aus Sevillas Stadtteil Triana – das einzige Stadtviertel über den Fluss, wo die Zigeuner seit dem 16. Jahrhundert als Schmiede der Region gelebt haben, und auch ihre religiöse Bruderschaft aufhalten – vertrieben wurden. Sie schufen mehrere Elendviertel am Rande der Stadt, aber sicherlich das berühmteste von ihnen ist El Vacie, die jetzt vollständing vom Friedhof und dem Autobahnkreuz eingeschlossen ist.


Offiziell leben 600 Menschen in der Siedlung, aber die Realität ist mehr als das Doppelte. Es gibt keine Wasserleitung und Kanalisation, und Strom wurde auch erst vor kurzem aus der Stat ausgeleitet. Es gibt Versprechungen von der Seite der jeweiligen Politiker, beinnend mit Franco, der in den 40er Jahren zur Siedlung kam, und Verbesserungen versprach, und seit damals hat jeder Politiker vor den Wahlen so getan, aber die Verbesserungen scheinen nicht zu kommen.


Es ist nicht leicht, die Siedlung zu betreten, geschweige denn zu fotografieren. Auch dem auf Río Wang vielmals erwähnte russischen Blogger Rustem Adagamov gelung es nur auf der Intervention der lokalen Sozialarbeiter.

„Die Betonblöcke wurden von der Stadt auf dem Gelände der ehemaligen Häuser gelegt, deren Bewohner soziale Wohnungen erhielten. Tatsächlich gibt est die Gefahr, dass sie die neue Wohnung verkaufen, und in El Vacie zurücksiedeln, weil sie nicht ohne die Gemeinschaft leben können.”

Die Siedlung ist in drei Teile aufgeteilt. Die eine ist von den spanischen Zigeunern, die andere von den portugiesischen Zigeunern, die dritte von Zigeunern aus Estremadura bewohnt.

Die vierzigjährige Urbana, eine portugiesische Zigeunerin wurde vor 26 Jahren zu einem lokalen Mann verheiratet. Heute hat sie sieben Kinder und sieben Enkelkinder, die alle in der Siedlung wohnen. Sie bauteten ihr Haus selbst, es gibt keine Heizung, obwohl der Frost ist nicht ungewöhnlich im Winter in Andalusien. Ihr Mann war ein Fabrikarbeiter, und jetzt leben acht Leute von seiner Invalidenrente von 350 Euro.


Aber die Bewohner der Siedlung sind nicht vollständig auf sich selbst überlassen. Spanische Freiwilligen haben im Jahr 1998 den Kindergarten Maria Angeles angelegt, der noch aus privaten Spenden erhalten ist. Acht bezahlte Mitarbeiter und zwanzig permanente Freiwilligen arbeiten hier, und darüber hiaus werden sie regelmäßig durch einen Arzt und Psychologe besucht. Sie bemühen sich, für all die Kinder der Siedlung Sorge zu tragen, von denen die meisten bekommen nur hier warmes Essen, heißes Wasser und Bildung, und sie aus dem Kreis der Armt und Kriminalität zu retten. Die Bewohner der Siedlung sprechen mit großer Dankbarkeit über ihre Arbeit. Natürlich gibt es auch eine andere Seite der Medaille: im letzten Sommerpause brachte man in den Kindergarten ein, und sie nahmen alles, so dass es zwei Monate dauerte, bis er wieder öffnen könnte. „So ist das Leben”, sagt resigniert eine Sozialarbeiterin, „hier Gut und Böse kämpfen miteinander jeden Tag. Einer von ihnen wird schließlich gewinnen.”


Vor kurzem hat die spanische TV-Sender Cuatro einen fünfteiligen (1 2 3 4 5) Dokumentarfilm über die Siedlung gestrahlt. Und im Jahr 2008 hat das TNT Theaterzentrum die Frauen der Siedlung überzeugt, Bernarda Albas Haus von García Lorca auf der Bühne zu setzen. Die Akteure des Dramas wurden von Giovanni Nardelli in ihrem alltäglichen Milieu fotografiert.



Ars magna lucis et umbrae


Ich wollte auch meine zwei Cent zum von Lloyd gestarteten Thema Meridiane hinzufügen, und jenes kleine italienische Buch über die Kunst der Sonnenuhren vorführen, das ich vor fast zwanzig Jahren in einem kleinen, abgelegenen Laden der Trastevere kaufte, wo man alle Arten von selbstgemachten Zeitmessgeräte feilbot, jede Sekunde tropfende Wasseruhren, Kerzen mit pro Stunden unterteilten Dochten, als camera obscura funktionierende Ringe mit einem Loch und mit der Aufschrift Carpe diem. Aber das Leben eilte mir entgegen.

Heute habe ich begonnen Umberto Ecos neues Buch zu übersetzen: Storia delle terre e dei luoghi leggendari – fabelhafte Länder, legendäre Orte, so lautet sein Arbeitstitel, aber das Buch fügt eine weitere Wendung dazu, was man erwarten würde. Es handelt sich nicht einfach über imaginäre Welten, wie man bei Eco, vom Baudolino bis zu Die Insel des Vorigen Tages gewöhnt ist, sondern darüber, wie die fanatischen Leser die fiktiven literarischen Orte ernsthaft nahmen, von der Antike bis Dan Browns Priorat von Sion. Und schon im ersten Kapitel über die Antike werden wir von unseren guten Freunden, den Meridianen begrüßt.

Che la terra fosse tonda lo sapeva naturalmente Tolomeo, altrimenti non avrebbe potuto dividerla in trecentosessanta gradi di meridiano, e lo sapeva Eratostene, che nel III secolo avanti Cristo aveva calcolato con una buona approssimazione la lunghezza del meridiano terrestre, considerando la diversa inclinazione del sole, a mezzogiorno del solstizio di primavera, quando si rifletteva nel fondo dei pozzi di Alessandria e di Syene, di cui si sapeva la distanza reciproca.Natürlich Ptolemäus war auch bewusst, dass die Erde rund ist, sonst hätte er sie nicht in 360 Grade unterteilt; und es war auch dem Eratosthenes bekannt, der im dritten Jahrhundert v. Chr. die Länge des Meridians der Erde mit einer guten Annäherung berechnete, unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Einfallswinkel der Sonne zum Zeitpunkt der Frühlings-Tagundnachtgleiche, wenn sie sich am Mittag in der Tiefe der Brunnen von Alexandria und Syene, deren Abstand bekannt war, spiegelt.

Eco, der in seinen populären Alben – Die Geschichte der Schönheit, Die Geschichte der Häßlichkeit, Die unendliche Liste – Trivia mit raffinierten Problemvorschlägen verführerisch vermischt, ist einem Super-Jongleur ähnlich, der mit hundert Kugeln auf einmal spielt, und wenn er fünf davon fallen lässt, ist es kein Problem. Der Übersetzer muss aber auch die fünf verlorenen suchen und abbürsten, als ob nichts geschehen wäre. Dies ist, was ich jetzt zu tun versuche.

Wenn die Sonne sich am Mittag in der Tiefe eines Brunnens spiegelt, das bedeutet, dass sie genau senkrecht, oberhalb der gegebenen Lage steht. Wenn sie sich in der Tiefe zweier Brunnen spiegelt, dann gibt es keinen Unterschied zwischen den beiden Einfallswinkeln, so dass daraus nichts berechnet werden kann.

Die Realität ist, dass Eratosthenes, der alexandrinische Bibliothekar erfuhr es von einer aus dem südlichen Syene – dem heutigen Assuan – kommenden Karawane, dass die Sonne sich in den Brunnen der genau unter dem Wendekreis des Krebses liegenden Siedlung nur einen Tag des Jahres spiegelt, am 21 Juni, das heißt, am Tag des Sommersonnenwende. Er hat im gleichen Moment den Einfallswinkel des Sonnenlichtes in Alexandria (7°12') gemessen, und er fand, dass er ein Fünfzigstel eines Vollkreises ist, demzufolge soll die Länge des vollen Meridians Fünfzigfache der bekannten Entfernung der beiden Städten sein. Der daraus resultierende Umfang der Erde – 39.690 Km – unterscheidet sich nur unwesentlich von den heute bekannten 40 Thausend.

Die Geschichte der Messung wird wohl von einem englischsprachigen Interview mit Eratosthenes zusammengefasst, das auch ein modernes Diagramm anbietet. Aber im Interesse einer größeren Glaubwürdigkeit zitiere ich sie vom exzentrischen barocken jesuitischen Gelehrten, Athanasius Kircher selbst (Ars magna lucis et umbrae, Amsterdam 1671, 638-639), dessen Werke, wie Eco behauptet, finden sich alle (mit Ausnahme eines) in seiner persönlichen Bibliothek.


Hac solertia legimus Eratosthenem terrenae molis quantitatem indagasse; assumptis duabus urbibus Syene, & Alexandria sub eodem meridiano in planissima Aegypti regione sitis, quarum distantiam in stadijs 6183⅓ cognitam, ut prius, summo studio exploratam habebat. Quibus notis nihil aliud requirebatur, nisi ut eandem distantiâ in gradibus quoque notam haberet, quam ea, qua sequitur solertia invenit. Cùm tempore solstitij Syene urbs sub tropico ♋ immediatè sita, hora meridiana sit ἁσκιη, & umbra in seipsa sine ullo angulo cum gnomone facto consumatur: hoc tanquam cognito, Alexandriae eodem temporis momento dieque gnomonem erexit, diligenter angulum, quem gnomon cum umbra ad verticem faciebat, observando: hic enim erat, ut paulò post demonstrabimus, arcui meridiano inter assumptas urbes aequalis. Sed rem paradigmate demonstremus, etc.Über Eratosthenes lesen wir, wie einfühlsam er die Ausbreitung der Erde gemessen hat, aufgrund zweier Städte, Syene und Alexandria, die in der flachen Region von Ägypten, unter dem gleichen Meridian lagen, und deren Abstand von 6183 und ein Drittel Stadien wurde zuvor von ihm mit größter Sorgfalt festgelegt. In Bewußtsein dessen brauchte er nichts mehr als die Abstandswinkel der beiden Städten, die er in der folgenden genialen Weise bestimmt hat. Als in Syene, die unmittelbar unter dem Wendekreis des Krebses liegt, am Tag der Sommersonnenwende ist die Stunde des Mittags ἁσκιη, ohne Schatten, das heißt, der Schatten fällt genau mit dem vertikalen Gnomon zusammen, durch Beobachtung der Abweichung des Schattens des Gnomons von der Vertikale im selben Moment in Alexandria berechnete er, wie wir es bald auszeigen, die Winkeldifferenz zwischen den beiden Städten. Aber sehen wir die Demonstration Schritt für Schritt, etc.

Aufgrund all dessen änderte sich meine Übersetzung wie folgt:

…und es war auch dem Eratosthenes bekannt, der im dritten Jahrhundert v. Chr. am Tag der Sommersonnenwende am Mittag, wenn die Sonne sich in der Tiefe des Brunnens von Syene spiegelt, hat die Länge des Meridians der Erde auf der Grundlage des in Alexandria gemessenen Einfallswinkels bestimmt, deren Abstand von Syene ihm bekannt war.

Solche Korrekturen, Dutzende pro Volumen, werden natürlich immer an den italienischen Herausgeber zurückgeschickt, der dafür immer Dank sagt, und sie nie in die neuen Ausgaben einführt. Daher, wie schon lange bekannt, liest ein gebildeter Europäer Eco nur in ungarischer Sprache.