In
früheren Posts haben wir bereits über die im Ersten Weltkrieg in Palästina dienenden österreichisch-ungarischen Artilleristen geschrieben. Jetzt, in Verbindung mit einem vor kurzem gefundenen Fotoalbum werden wir über ihre deutsche Waffenbrüder sprechen, die in viel größerem Anteil an der palestinischen Front anwesend waren. Auf Ersuchen der nach die Eroberung des Suez-Kanals strebenden türkischen Verbündeten kam im Frühjahr 1916 eine große Anzahl von
deutschen Einheiten in Palästina, unter anderen eine Fliegerabteilung, acht Maschinengewehr-Kompanien, eine 15-cm-Haubitzbatterie mit vier Geschützen, eine 10-cm-Kanonenbatterie mit zwei Geschützen, vier Fliegerabwehrzüge, zwei Minenwerfer-Kompanien, ein Nachrichtenzug, zwei Feldlazarette, und mehrere Kraftwagenkolonnen. In einer der letzten, der Kraftwagen-Park 505 – kurz, KP 505 – diente der deutsche Soldat, dessen Fotoalbum wir vor kurzem auf
einer Website gefunden haben.
Der Weg von Konstantinopel nach die Sinai-Front – genauer nach Gaza, wo die deutschen Truppen unter dem Kommando der türkischen Führung der Armee bestellt wurden –, dauerte zwei Wochen. Die Zugfahrt musste mehrmals unterbrochen werden, da die Tunnel durch den Taurus- und Amanus-Bergen noch nicht fertig waren. Die Ironie des Schicksals ist, dass diese nur in der gleichen Zeit des Waffenstillstandes, im späten Oktober 1918 dem Verkehr übergeben werden… Der erste Transit- und Umschlagpunkt war Bozanti (heute Pozantı) an den nördlichen Ausläufern des Taurus, wohin die Truppen nach einer dreitägigen Zugfahrt von Konstantinopel kamen. Die Munition, Pakete und Ausrüstung, sowie die Geschütze der Artillerie-Einheiten wurden auf Lastwagen umgeladen, und die Mannschaft überquerte zu Fuß die 1500 Meter hohen Pässe des Taurus.
Einige Tage später, diesmal an den südlichen Hängen des Taurus bestiegen sie wieder den Zug, und dann am Amanus folgte ein neuer Umschlag und ein neuer Marsch durch die Berge. Der Rest des Weges in der Provinz Syrien – am Gebiet des heutigen Syrien, Libanon und Palästina/Israel – wurde durch zwei anderen Züge abgedeckt.
Die levantinische Landschaft und die exotischen „Eingeborenen“ beeinflussten sicherlich einen starken Eindruck auf die neu angekommenen europäischen Soldaten. Es ist kein Wunder, dass fast die Hälfte der vierzig Bilder des Albums Ausblicke auf das Heilige Land zeigen, als auch Genrebilder von „orientalischen Typen“, Beduinen und Kamelkarawanen.
Auf einigen Bildern hat der Eigentümer des Albums den Anblick nicht korrekt identifiziert. Die Beschriftung des folgenden Fotos ist nur die halbe Wahrheit. Obwohl der Brunnen tatsächlich in Jaffa ist, aber er ist nicht Jakobsbrunnen genannt. Er ist der Brunnen von Abu Nabbut –
Sabil Abu Nabbut –, oder von Tabitha. Der Fehler ist umso seltsamer, weil – wie wir unten sehen werden – das deutsche Kraftwagen-Park im Jahr 1917 Silvester genau in Nablus feierte, wo der berühmte Brunnen von Jakob auch heute besucht wird.
Ein Moment der Ruhe zwischen zivilen Landsleuten. Sarona war eine landwirtschaftliche Kolonie der deutschen Templer – eine lutherische millenaristische Sekte – in der Nähe von Jaffa, wo sie vor allem Orangen und Trauben bauten, und eine Weinkellerei betrieben. Die friedlichen Zeiten wurden durch die britische Offensive beendet. Im Juli 1918 wurden alle Templer, als Bürger eines feindlichen Landes, in Ägypten interniert. Die Bewohner von Sarona durften nur 1920 auf die inzwischen völlig zerstörte und geplünderte Siedlung zurückkehren.
Aber bleiben wir noch in Gaza. Unter den hier aufgenommenen Fotos von militärischer Thematik ist das erste ein alter Freund: der im zweiten Schlacht von Gaza am 19. April 1917. von der österreichisch-ungarischen Haubitzenbatterie ausgeschossene britische Tank, dessen Foto bereits in
einem früheren Post gezeigt wurde. Die komplette siebenköpfige Mannschaft des Tankes „HMLS (His Majesty’s Land Ship) Nutty“ fiel in türkische Gefangenschaft. Sein Kommandeur, der fünfunddreißig Jahre alte Leutnant Frank Carr aus Birmingham wurde schwer verbrannt beim Versuch, den Tank entzuweichen, so dass kurz nach seinem Fallen in Gefangenschaft starb er im türkischen Feldlazarett bei Tel el Scheria. Nach der siegreichen Schlacht sogar die drei Paschas von Stab – Izzet, Kress von Kressenstein und Djemal – posierten stolz vor dem ausgeschossenen Tank.
Quelle: F. Kress von Kressenstein: Mit den Türken zum Suezkanal, 1938
Enver Pascha, der türkische Verteidigungsminister am Besuch bei der türkischen und deutschen Streitkräfte an ihrem Stammsitz in der Nähe von Beerscheba zu Beginn des März 1916. In der Mitte, der bärtige Djemal Pascha, Oberbefehlshaber der Truppen in Palästina, nach links Enver Pascha mit erhobenen rechten Hand.
Djemal Pascha in Ramlee, an einer deutschen Militärflugshow. Der Pascha ist der Offizer an der oberen rechten Seite des Bildes, der in die Kamera schaut.
Der Kommandeur des Kraftwagen-Parks 505, Hauptmann Emil Axster wurde in mehreren Bildern aufgenommen. Axster war im Zivilberuf Direktor einer renommierten deutschen Bank, und es scheint, dass er auch in der Militärdienst den Stil eines gut gekleideten Bankbeamten nicht völlig beiseite setzen konnte. Im Gegensatz zu seinen nach den preußischen Stil bis zum Hals eingeknöpften Kameraden sehen wir Axster immer mit umschlagenen Kragen, und darunter ein elegantes weißes Hemd und Krawatte, als ob er ständig bereit wäre, beim Anblick einer vorteilhaften Geschäftsmöglichkeit wieder in seine ehemalige zivile Rolle zu springen. Axster war wilkommen auch in den vornehmsten Kreisen von Jerusalem. Einer seiner engsten Freunde war
Antonio de la Cierva y Lewita,
Graf von Ballobar, der spanische Konsul in Jerusalem. Für seinen Freund und Nachbar arrangierte Axsel sogar die Einführung der Elektrizität an das Konsulat vom Generator der motorisierten Einheit.
Axster is der dritte von links in der ersten Reihe.
“Schweineessen“ im Casino der deutschen Kraftwagen-Einheiten in Jerusalem. Es dürfte keine einfache Aufgabe sein, ein Schwein in der vor allem von Muslimen und Juden bewohnten Stadt zu finden.
Hauptmann Axster in der Mitte der hinteren Reihe, mit einem Affen (!) unter dem Arm, seinen Geburtstag feiernd. Beachten wir den strategischen Unterschied zwischen der Positionierung der deutschen und der türkischen Fahne!
Von besonderem Interesse sind die drei Bilder über eine militärische Beerdigung in Jerusalem, worüber wir aufgrund der Untersuchungen von Norbert Schwake, unser Kollege und Freunde aus Nazareth viele Details kennen. In der Nacht von 16. Juli 1917, ein deutsches Militärfahrzeug nahm schlecht eine gefährliche Kurve an der Nordostecke der Mauer von Jerusalem, kam von der Straße ab, und überschlug sich. Der Fahrer, Leutnant der Reserve Friedrich Schütze, und der Gefreite Karl Feldbrügge vom Kraftwagen-Park 505 verloren ihr Leben auf der Stelle. Ein anderer Passagier, Oberleutnant Bindernagel überlebte mit einem Schädelbruch. Die beiden Opfer wurden am 17. Juli um 17 Uhr in einer feierlichen Leichenzug zu ihren letzten Ruhestätte in den deutschen und österreichisch-ungarischen Soldatenfriedhof auf dem Berg Zion begleitet, wo ihre Gräber noch zu sehen sind. Feldbrügges Obere, Emil Axster persönlich benachrichtigte über die Tragedie die Familie des Verstorbenen in einem ausführlichen Brief.
Leichenzug auf dm Weg zum Soldatenfriedhof auf dem Berg Zion. Auf der rechten Seite erscheint die Mauer der Jerusalemer Altstadt, im Hintergrund der osmanische Uhrturm am Jaffa-Tor.
Ein weiteres interessantes Detail ist die ökumenische Charakter der Beerdigung. Feldbrügge war katholisch, und Schütze lutherisch. Deshalb ist das Begängnis sowohl von einem katholischen Priester und einem evangelischen Pfarrer gefolgt. Hinter dem letzten Auto mit dem Sarg sehen wir Dr. Friedrich Jeremias, der lutherische Provost der Erlöserkirche in Jerusalem in schwarzem Talar, und neben ihm einen katholischen Feldgeistlicher in Militäruniform und Schlapphut.
Die Beerdigung wurde von der des Kraftwagen-Park 505 eigenen Band begleitet. Es ist bezeichnend, dass sowohl die deutschen und die österreichisch-ungarischen Einheiten ihre eigene Bands mit sich nach Palästina brachten, als Erinnerung an die ferne Heimat.
Die deutschen Truppen konnten nicht die Gastfreundschaft der Heiligen Stadt lange genießen. Im Herbst 1917 brach Allenbys Armee die Gaza-Beerscheba Verteidigungslinie durch, und sie schoben die Türken und ihre Verbündeten ständig nach Norden. Am 9. Dezember sogar Jerusalem fiel in britische Hand.
Die britische Offensive war nur für eine Weile von den bitteren Winterwetter eingestellt. Die sintflutartigen Regenfälle, die überflogenen Vadis, der aufschwellende Jordan und der tiefe Schlamm, der die Ebene überall bedeckte, machten alle militärischen Operationen unmöglich. So die nach Galilea zurückgezogenen Deutschen könnten Weihnachten und Neujahr in relativ ruhigen Bedingungen feiern. Das folgende Silvester-Foto bestätigt, dass trotz der nicht so rosigen militärischen Lagen fielen die Deutschen nicht in Melancholie. Kein Zweifel, dass die reichlich vorhandenen Bestände von Scotch Whisky, französischer Kognak, und – um zum Verhängnis des Feindes nicht nur mit ihren eigenen Spirituosen zu trinken – Pfefferminzlikör und Echter Julius Meinl Dominikaner auch eine wichtige Rolle darin spielten.
Die Regenzeit an der Wende von 1917 und 1918 wurden auf mehreren Bildern verewigt. Der Regen strömte hoffnungslos sowohl bei der Einweihung des Motorboots Henriette, als – horribile dictu! – auf der Feier des Geburtstages von Kaiser Wilhelm.
Die Verbündten feiern den Geburtstag von Kaiser Wilhelm. Auf der linken Seite die lokale Honoratioren, rechts die türkische Soldaten, in der Mitte die deutschen Soldaten, und hinter ihnen, teilweise überdacht, der Blaskapelle des KP 505.
Die folgende Serie, die eine feierliche Prozession der türkischen und deutschen Truppen und ihre Überprüfung durch Marschall Falkenhayn zeigt, war auch in Nablus, irgendwann zwischen November 1917 und März 1918 aufgenommen.
Erich von Falkenhayn, der am 7. September 1917 der Oberbefehlshaber der türkischen Armee in Palästine in den Rang von osmanischem Feldmarschall wurde, legte sein Hauptquartier vor den anrückenden Briten am 14. November 1917 von Jerusalem nach Nablus um. Er konnte nicht verhindern den weiteren Vormarsch der britischen Truppen und die Einnahme von Jerusalem, so am 1. März 1918 musste er das Kommando dem neuen Oberbefehlshaber General
Otto Liman von Sanders übergeben.
Falkenhayn – mit Pistolentasche auf seiner Seite – ist der zweite von links unter den Offizieren.
Falkenhayn – mit einem Stock – ist der erste Offizier von rechts.
Im Frühjar 1918 die Truppen von General Liman von Sanders gelangen noch die britischen Angriffe in zwei Schlachten am Jordan abzustoßen, aber sie konnten die überwältigende Offensive von Allenby am 19. September nicht mehr widerstehen. Im wochenlangen chaotischen und blutigen Rückzug umkamen oder fielen in Gefangenschaft Tausende von türkischen und Hunderte von deutschen, österreichischen und ungarischen Soldaten. Wir wissen nichts über den Schicksal des unbekannten ursprünglichen Besitzers des Fotoalbums. Es kann wohl sein, dass er und sein Album ebenfalls gefangen genommen wurden. Zumindest wird dies von den vielen unvollständigen und fehlerhaften englischen Übersetzungen unterstützt, die zu einem späteren Zeitpunkt unter die ursprünglichen deutschen Titel geklebt wurden.
Eine Postkarte von Jerusalem mit dem Poststempel des KP 505 (von einer Auktions-Website)