Das Meer in Zahesi


Ich habe die Kamera im Sommer 2014 in einem Geschäft in Tiflis gekauft. Ich habe sie zum Arbeitswerkzeug bestimmt. Ich kaufte eine Spiegelreflexkamera. Früher habe ich nur kleine Kompaktkameras benutzt.

In kurzer Zeit wurde das Arbeitswerkzeug zum Teil meiner Identität. Seine Verwendung radikal veränderte meine Beziehung zur Forschung. Die Kamera zwingt mich, durch ihrer Linse die Bedeutung der Orten und Menschen neu zu interpretieren. Der Bildausschnitt und die daraus folgenden Bilder sind nicht das Ergebnis eines zufälligen Klicks. Im Gegenteil, ich möchte einen bewussten visuellen Bericht über den Gegenstand meiner Forschung geben. Das Bild ist nicht bloß der Anblick auf den von mir unabhängig existierenden Raum und Menschen, sondern der Abdruck eines innigen und ständigen Dialogs zwischen uns, wo Ästhetik und Praxis in einem unwiederholbaren Moment übergehen.

„Was die Fotografie endlos reproduziert, hat nur einmal stattgefunden: sie wiederholt mechanisch, was sich existentiell nie mehr wird wiederholen können. Die Fotografie ist das absolute Besondere, die unbeschränkte Kontingenz, sie ist das Bestimmte (eine bestimmte Fotografie nicht die Fotografie), kurz, das Glück, der Zufall, das Zusammentreffen, das Wirkliche in seinem unerschöpflichen Ausdruck.“ (R. Barthes, Camera Lucida 1)

Die Flexibilität und die Funktionalität des Werkzeugs ermöglicht es mir, die Umwelt und die Leute um mich herum ständig neu zu interpretieren. Schnell entdeckte ich, dass selbst wenn ich Fotos über den gleichen Platz mache, passen sich meine Bilder nicht nur zu den momentanen Bedürfnissen der Forschung und den beabsichtigten Beschreibungen, sondern, als das Fotografieren bereits zu einem Teil von mir geworden ist, auch zu meinen momentanen Stimmungen und Visionen. Es ist auch sehr interessant, die Kamera in die Hände meiner Informanten zu geben, damit sie ihre Aufnahmen machen. Diese Bilder sind „von Innen gesehene“ Ansichten der Wirklichkeit, ihre noch persönlicher Vorstellungen.


Ich laufte auf den Treppen des Hochhauses ab. Ich wollte auf der Hauptstraße durchgehen, die den Zahesi-Viertel halbiert, und zum Jvari-Kloster führt. Ich war von Begeisterung erfüllt über das Gerät in meiner Hand, über die Idee, das ich die Wirklichkeit um mich herum schließlich – und auch für mich selbst – erzählen kann.

Ich bin zu einem bisher unbekannten Teil des Viertels gelangen. Einige Frauen unterhalteten sich selbstvergessen, die schwarzen Konturen ihrer Kleidung zeichneten sich scharf gegen den grauen Wohnblocke ab. Ich fragte sie über den Weg. Sie starrten auf die Kamera, einer von ihnen deutete zerstreut in irgendwelche Richtung. Ich folgte in jener Richtung. Bald fand ich ein kleines, von der Vegetation halb überwuchertes Gebäude. Am glatten Wand, kräftige Figure von Tänzern und Musikern, versteift nur durch die Unbeweglichkeit des grauen Materials, das nicht zu den Träumen passt. Nach den Blockhäusern, schließlich etwas, um mein Gerät zu testen. Es war nicht einfach. Ich fühlte dass ihc noch nicht empfindlich genug war. Nach ein paar Klicks verließ ich den Ort mit verknappten Selbstvertrauen.

Aber die helle Sonne versprach alles gut. Ich kümmerte weniger mit dem neuen Spielzeug, und mehr damit, dass ich ein geeignetes Objekt finde, als ob Robert Capa nach Tiflis zurückkehrte. Üppige Vegetation ringsum, ein paar verfallene Betonbauten, sonst nichst. Ein paar kleine Jungen kamen auf mich auf der Straße, sie lachten, entweder über einander, oder über mich. Ich habe sie nicht gefragt. Ich musste mein Thema selbst finden. Nach einem langen Spaziergang scheinte der Anblick eines blauen Flecks durch die Zweige. Vielleicht ein alter Brunnen, oder ein Spielplatz. Ich habe es nie kennengelernt. Fische, Wellen, Algen. Die winzigen Steine des Mosaiks wurden sorgfältig vom Arbeiter oder Künstler angeordnet, der persönlich von Breschnew, oder vielleicht nur von einem lokalen Funktionär beauftragt wurde, eine gewisse Lebendigkeit in die Wohnsiedlung zu bringen. Das Meer in Zahesi. Kitano in Zahesi.


Kelaptari: Sacekvao. Vom Album Georgian Dancing Melodies (2012).

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Internationalismus


Georgien ist das Land der Wasserkraftwerke. Dank seinen aus den hohen Bergen ablaufenden wasserreichen Flüssen und den fünfundzwanzig arbeitenden Wasserkraftwerken ist sie das einzige europäische Land, das sich nicht nur vollständig mit Ökostrom versieht, sondern ist sogar in der Lage, den zu exportieren.

„Mit Elektrofikation (sic!) gegen die Konterrevolution!”

Als man von Tiflis entlang der Kura in Richtung der armenischen Grenze reist, erscheint auf der rechten Seite eine seltsame Stalinbarock-Industriegebäude. Die gleiche orientalische, mit hohen und tiefen Bögen dekorierte Version des Stalinbarocks, die seit den 1930er Jahren dominant im Kaukasus wurde, und die immer noch auf den modernen Gebäuden von Eriwan und Baku blüht. Herum ihm, ein Weiler von wenigen Häusern, namens Chitakhevi, scheinbar zur Unterstützung des Kraftwerks geschaffen.



Obwohl ich mit einem Kleinbus bin, bete ich die Gruppe, ein paar Minuten zu warten, während ich eine Aufnahme des Phänomens mache. Als ich das Gebäude annähre, erscheint der Wache am Tor. „Guten Tag. Was ist diese Einrichtung?“ ergreife ich die Initiative, um seine Befragung zu verhinder. „Das Umspannwerk des Wasserkraftwerks.“ „Wann wurde es gebaut?“ „Nach dem Krieg. Es begann arbeiten 1949. Wo sind Sie her?“ „Die Gruppe aus Ungarn, ich aus Deutschland.“ „Na, dann es war genau Sie, die es gebaut haben.“


Der Projekt Как воевали плотины, der die Geschichte der sowjetischen Wasserkraftwerke zwischen 1914 und 1950 dokumentiert, widmet einen Artikel der großen Zahl der sowjetischen Kraftwerke, die während und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg von deutschen, japanischen, ungarischen und italienischen Kriegsgefangenen gebaut wurden. Der Artikel zitiert aus den auch in Russisch übersetzten Memoiren der deutschen Hubert Deneser, der auf den Bau der Uglitscher Kraftwer arbeitete. „Ich habe 22 Monaten in Uglitsch gearbeitet. Ich musste auf hundert und achtunvierzig Treppen auf- und ablaufen, mit zwei Eimer Wasser für den Betonmischer. Ich habe eine Menge von Bautechniken gelernt. Als ich 1948 aus der Gefangenschaft nach Deutschland zurückkehrte, baute ich mein Haus allein. Im Winter schnitten wir Eis von der Wolga, im Sommer brachten wir Dünge auf die Felder. Dort trafen wir auch Mädchen, wir scherzten, wir lachten.“ Es mußte ein idyllisches Leben sein.



Elektrifizierung


Zahesi-Viertel Der Klang des Namens der zur Unterstützung des Wasserkraftwerks gegründeten Sowjetischen Wohnsiedlung am nordwestlichen Rand von Tiflis lässt einen alten georgischen Herkunft vermuten. Allerdings ist der Name weder alt, noch georgisch. In der Tat ist es eine russische Abkürzung für Земо-Авчальская ГЭС (гидроэлектростанция), das heißt, „Obere Avtschala Wasserkraftwerk“, das in den 20er Jahren zur Verwirklichung Lenins Traum, des GOELRO-Plans für die Elektrifizierung des ganzen Sowjetrusslands gegründet wurde.



Sowjetmacht plus Elektrifizierung ist Kommunismus. Die acht Flaggschiffe des großen Plans im ganzen Land wurden 1923 bezeichnet. Einer von ihnen wurde Georgien zugeteilt, zum Teil für die Industrialisierung der größten Stadt des Kaukasus, und zum Tail für die Regelung des Flusses, der oft die Stadt überflutete. Die Lage des Wasserkraftwerks wurde direkt über Tbilisi bestimmt, wo der Fluss Kura die Stadt betritt, über dem tausend Jahre alten Dorf Avtschala, das erst 1962 ein Teil von Tiflis und ein sowjetischer Industrieviertel, und bis heute eine verlassene Geisterstadt wurde. Der Sperrsee und, nach den alten Karten, auch der Damm gehörte ja zum Gebiet der viel bedeutenden Mzcheta. Unter dieser Stadt, dem Sitz der georgischen Kirche mündet der aus den nördlichen Bergen herunterlaufende Aragvi in die Kura, die vom Süden kommt. Heute, als Folge der Aufstauung bilden die beiden einen herrlichen Rahmen für die Stadt, auch wenn sie einige tiefer liegenden Straßen entlang des Flusses abgeschnitten haben.


In jeder Zeit wäre es jedoch unvorstellbar gewesen, ein Wasserkraftwerk nach einem Kirchenzentrum zu nennen, vor allem, wenn es, wie die ersten acht großen Kraftwerke, auch den Namen Lenins trug. Es war bereits störend genug, dass, ob sie wollten oder nicht, die älteste Kirche in Georgien, die Jvari, das heißt, Heilig-Kreuz aus dem 7. Jahrhundert ragte über den Damm. Man vollte sicherlich ein visuelles Gegengewicht setzen, wenn 1927, nach der Fertigstellung des Kraftwerks man auch eine monumentale Statue von Lenin, eine der ersten Lenin-Denkmäler des Landes neben dem Damm errichtete.

Die Statue wurde vom Bildhauer Iwan Dmitrijevitsch Schadr (ursprünglicher Name Iwanow, 1887-1941), entworfen, dessen künstlerische Qualitäten und revolutionäre Engagement über jedem Verdacht erhaben waren. Vor 1917 studierte er in Paris, wo er ein Anhänger von Bourdel und Rodin war, und nach 1917 arbeitete er eng mit Lenin an der Realisierung der von ihm vorgesenhenen „monumentalen Propaganda“ zusammen. Die zum ZAGES geplannte Lenin-Statue ist ein wichtiger Zweig der sich gerade in diesen Jahren erstarrenden Lenin-Ikonographie, der Prototyp des „zeigenden Lenins“, der in tausenden von Variationen im ganzen Land nachgeahmt wurde. Der Typ wurde weiter popularisiert durch die Illustrationen, die das Bild des Wasserkraftwerks verbreiteten, sowie die Druckgrafiken von Ignaty Nivinsky, oder die monumentale Fresko von Wassilij Maslov, die vor kurzem im Bolschewistischen Haus des Moskauer Korolev-Bezirk entdeckt wurde.

Ignatij Niwinskij: Lenin-Denkmal am ZAGES, Druckgraphik, 1927

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Während des letzten Jahrhunderts viel Wasser floss nach unten in der Kura. Das Wasserkraftwerk wurde alt, und der georgische Staat, der kein Geld für die Rekonstruktion hat, verkaufte es 2007 an GeoInCor. Der neue Besitzer betätigt es nur zeitweise. Aus den beiden Siedlungen, die den Namen des Kraftwerks tragen, der Zalesi-Wohnsiedlung und dem Avtschala-Industrieviertel, fliehen die Bewohner. Der erste zu verschwinden war Lenin selbst, dessen Statue 1991 entfernt wurde. Der freie Sockel wird durch den wachsenden Bäumen gnädig bedeckt. Wenn man an einem bestimmten Punkt der Mzcheta-Tiflis-Straße anhält, und im kleinen Wald durch den kniehohen Gras zum Bank der Kura durchsetzt, man kann sehen, dass der Fluss und der Berg nach einem kurzen Zwischenspiel ihre tausendjährige Herrschaft über die Landschaft zurückgewonnen haben.



L. Utesov: Suliko, 1930s

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Ein Sommernachtstraum


„non si svende non si svende
neanche se non funziona
neanche se non funziona
niente saldi di speranze
niente saldi di esistenze“

„nicht zum Verkaufen
selbst wenn es nicht funktioniert
selbst wenn es nicht funktioniert
wir ziehen keine Bilanz
der Hoffnungen, keine
Bilanz der Existenz“
„Sowjetmacht plus Elektrifizierung machen keinen Kommunismus“ Ich hatte schon ein Paar Monate in Tiflis, in der Wohnung eines Freundes, in einem Viertel am Rande der Stadt verbracht. Kommunalka, Betonblöcke, mit Spray geschriebene Hausnummern, von der Zeit verfärbte alte Blocknummern. Von den zerbrechlichen Metallstützen der Balkonen hängende Unterwäsche und Bettwäsche. Streunerhunde. In ihren Autos schlafende Taxifahrer. Sommer. Männer unter einer Zeltbahn. Zigarettenrauch. Herum zerstreute Kippen. Rituelle Geräusche und Schreie. ნარდი, Nardi, Würfelbrett. Jungen scharen sich herum, in der Hoffnung, einige Tricks zu stehlen. Vom siebten Stock, wo meine Wohnung ist, kann man fast alles in fast dem ganzen Viertel stehen. Die Bäume, die Streunerhunde, das langsame suburbane Leben. Frauen kommen mit großen Einkaufstaschen. Sommer. Vierzig Grad in der Wohnung. Draußen, die müden Türme haben nichts zu verlieren als ihre elektrischen Leitungen. Seit einigen Tagen hat Tiflis unter den klebrigen Smog versunken. Der Aufzug, ლიფთი, kostet 5 Tetri jedes Mal. Man sagt, in den sowjetischen Zeiten ging das Geld an den „Blockvertrauensmann“, ein Administrator, der für die Wartung verantwortlich war. Inzwischen hat der Blockvertrauensmann verschwunden. Bleibt der Aufzug und die zehn Etagen der Kommunalka. Von hier kann man die Stadt nicht sehen. Das historische Zentrum ist zu weit. Der Blick reicht bis zu den Beton-Kommunalki von Didi Dighomi, die andere große Nachbarschaft am Rande von Tiflis, die in den letzten Jahren einen gewissen Impuls im Immobiliengeschäft hatte. Die Regierung hat sich verändert, aber der Bau der იყიდება Häuser geht weiter. Dies ist, wie sie genantt werden, weil an jedem Gebäude dieser Vorstadt, ob alt oder neu, steht, wie der Name eines anonymen Besitzers, die Inschrift იყიდება, „zu verkaufen“, und eine Telefonnummer. Die Peripherie entvölkert sich. Alte Familien gehen weg. Neue Familien kommen nicht. Die Wirtschaft geht nach unten. Der Sommer kommt. Der Zusammenbruch des Lari kommt, die Inflation kommt, die Arbeitslosigkeit, die Auswanderung. Georgien kommt. Die Stadt is weit, weit weg von meinem Turm. Keine großen Supermärkte. Nichts wie „Goodwill“ in Didi Dighomi, keine „Tbilisi Mall“. Die Stadt ist weit weg.

Das Wasserkraftwerk ist immer noch da. Langsames Tempo. Eine alte sowjetische Zementfabrik arbeitet immer noch. Verschiedene Schichten, verschiedene Jobs. Keine helle sozialistische Zukunft mehr. Letzter Halt.


“vali molto di più
di un aumento economico
meriti molto di più di un posto garantito
che non avrai che non avrai”

„du bist viel mehr wert
als eine wirtschaftliche Steigerung
du verdienst viel mehr
als einen garantierten Arbeitsplatz
den du nie haben wirst“
Das Gefängnis, die Bank, ein Lebensmittelgeschäft, und ein Obst- und Gemüseladen. In diesem Rechteck, in der unerträglichen Hitze des Asphalts in den Sommermonaten, in der Agressivität der Streunerhunde begann ich. Das Leben und später die Sprache zu lernen. Das langsame und harte Leben des Viertels. Die Schreie der Nachbarn, der Betrunkene, der Schlägereien. Den Viertel, der Tag für Tag leiser wurde. Abflüge. Der sowjetische Projekt hat die Kommunalki den Arbeitern des Wasserkraftwerks und deren Familien geplant. Dann hat die Sowjetunion plötzlich verschwunen, und mit ihr die Arbeitspläze. Die Straßen des Viertels haben Namen, die die Visionen und Bedeutungen einer gefallenen Ideologie und Epoche, die helle Zukunft der Technologie darstellen: „Energetikosi“.

Nun ist Google Maps viel präziser. Mann kann die Ausdehnung der Gebäude (alle gleich) klar sehen, nur die Straßennamen wurden geändert. Sie wurden dem neuen politischen und geschichtlichen Kurs der zeitgenössischen Georgien zugeschnitten. Namen georgischer Politiker und Leute, nicht unbedingt neu. Die Geschichte immer schwankt hier. Selbst in einer Vorstadtstraße kann man eine Gemeinschaft, eine Nation darstellen. Man kann Politik machen, und das Gefühl der Zugehörigkeit zu etwas größeren aufwecken. Nicht mehr zu einen Regime. Die Identitäten sind neu gegründet. Graffiti an der Wand, მიყვარხარ. Aufkleber, „Dinamo Tbilisi“. Frisch gemalte syntetische Futsalfelder, ein Geschenk der Sanierungspolitik des Ex-Presidänten Saakaschwili. Nur die Straßennamen bleiben, die Plakate sind zerrissen. Der Stern ქართული ოცნება, „der georgische Traum“ leuchtet schwach. Iwanischwili. Die Regierung ändert sich, ändern sich die Namen. Die kommunalki, die Streunerhunde ädern sich nicht. Die Generationen ändern sich. Wird es sich ändern?

Die Zitate sind aus „Manifesto“ von „CCCP - Fedeli alla linea“.


CCCP – Fedeli alla linea: Manifesto. Ostberlin, 1983


Ein Jahr in Subkarpatien


Am 17. Januar, als die Subkarpatischen Fotos von László Végh in Magyar Nemzet veröffentlicht wurden, teilte ich sie auf dem Facebook von río Wang. Jetzt, in Vorbereitung für unsere Galizien-Tour am Ende Aprils sah ich sie wieder, und ich dachte, sie auch auf dem Blog zu teilen, damit sie von mehr Menschen gesehen seien, und nicht nur in Ungarisch.

Olena zog vor vielen Jahrzehnten von Moskau nach Kőrösmező/Jassinja

„Dank dem József Pécsi Fotostipendium, hat der Fotoreporter von Magyar Nemzet Subkarpatien wiederholt besucht. Er traf sich mit Soldaten auf der Rückkehr vom Schlachtfeld, Familien, die um ihre Angehörigen trauerten, tatarische Flüchtlinge von der Krim. Und mit außergewöhnlichen Gastfreundschaft.

Man kann keinen großen Fotoreport ohne Vorbereitungen beginnen, also begann ich auch mit der Forschung, bevor ich nach Subkarpatien fuhr. Zunächst trat ich in Verbindung mit einem lokalen Journalisten, der mich an mehreren Stellen begleitete, führte mich einer Reihe von Personen ein, und, wenn nötig, mir übersetzte. Er war mein Fixer, als der Journalistenjargon diejenige Personen mit Lokalkenntnisse nennt, die im Zuge einer großen Feldarbeit die ausländischen Journalisten und Fotografen führen und unterstützen.

Das erste Mal, als ich dort ging, war es März. Ich erinnere mich noch genau an den Tag. Ich ging nach Verbőc/Verbovec, zum Begräbnis eines im ostukrainischen Konflikt gefallenen Soldaten. Nach 316 Kilometern kam ich an der Grenze. Reisepass. Unterlagen. Kontrolle. Ankunft in Subkarpatien. Schlechte Straßen. Die Abdrücke der Vergangenheit, überall. Graue. Strömender Regen. Und auf dem Weg von Bereszász/Beregovo aus, Polizeistrafen. Nicht wenig. Fast eine Stunde Verspätung. Erschöpft kam ich zu meiner Unterkunft an.

Das Begräbnis von Viktor Márkusz. Er diente im 128. Berg-Infanterie-Regiment

So sehr ich auch es versuchte, konnte ich in den ersten paar Monaten den lokalen Rhythmus nicht aufnehmen. Dann wurde ich mehr und mehr Menschen vorgestellt, die mir geholfen haben. Zum Beispiel, Tante Slava, dessen Sohn ein 22-jähriger Vertragssoldat ist. Sie ist in ständigem Kontakt mit den Soldaten aus Subkarpatien an der Front, also sie kennte die Antworten auf alle meine Fragen, und half mir in allem. Andernfalls unterrichtet sie ukrainische Sprache in der ungarischen Klasse einer zweisprachigen Schule.

Und sehr oft hatte ich Glück. Zum Beispiel, in Kőrösmező/Jassinja, wo ich in die falsche Richtung in die Berge aufbrach, und so stolperte ich auf Olena, die aus Russland nach Subkarpatien umgezogen war. Oder einen Abend, als wir, auf dem Weg zu unserer Unterkunft, eine flackernde Kerze in einem benachbarten Fenster erblickten. Unser Gastgeber, eine ungarische Familie erzählte mir, dass eine alte Dame lebt dort, Mária András, der jeden Morgen und Abend betet auf dieser Weise. Es ist uns gelungen, sie zu besuchen, und sie erlaubte mir, ein paar Fotos von ihr zu machen, während sie betete. Oder Onkel Frédi in Fancsika/Fantschikovo, der über meine Wanderung in Subkarpatien und Fotografieren den Alltag der Menschen gehört hat. Er sagte einem Freund im Dorf, dass er mir seine Tauben gerne zeigen würde.


Und es waren die ungarischen Familien, die ihre Lieben im Krieg verloren haben. Ich verbrachte Stunden mit ihnen. Bei vielen Gelegenheiten habe ich nicht einmal meine Kamera herausgenommen, wir sprachen nur. Am 16. September war das Begräbnis von Sándor Lőrinc in Fancsika. Als ich den Nachricht gehört habe, sass ich in den Wagen, und fuhr zu der Familie den vorigen Abend. Ich stellte mich vor, ich sagte ihnen, wer ich war, woher ich kam, und was ich wollte. Ich sprach viel mit der Mutter Sándors, Tante Anna. Ich dürfte auch an der Nachtwache im kleinen Raum des kleinen Hauses, bei dem mit der ukrainischen Flagge bedeckten Sarg anwesend sein. Am nächsten Tag, bei dem Begräbnis gab es vielen Menschen, alle Bewohner des Dorfes. Und viele ukrainische Soldaten, die ich in Verbőc in März getroffen hatte. Sie begrüßten mir, und sagten dass sie hoffen, uns beim nächstes Mal in einem fröhlicheren Ereignis zu treffen.

Nach dem Begräbnis wollte ich nach Budapest zurück. Allerdings sagte Tante Anna, dass ich nicht gehen könne, bevor ich mit ihnen Abend esse. Ich entschuldigte mich, aber sie haben micht nicht gehen gelassen. Sie haben mir sogar Krapfen verpackt für die Straße. Budapest ist weit weg.

Fancsika/Fantschikovo. Begräbnis des in der Ostukraine gefallenen ungarischen Soldaten Sándor Lőrinc

Überall dort, wo ich während dieser Zeit in Subkarpatien ging, stieß ich auf einen freundlichen Empfang. Und nicht nur bei der ungarischen Familien. Ich besuchte auch tatarische Familien, die von der Krim geflohen waren, und mit denen wir durch ein Computer-Übersetzungsprogramm gesprochen haben. Die Kinder haben es wirklich genossen, wenn wir einander manchmal nicht verstanden haben, und wir uns durch Gesten erklärten. Activity. Ich habe Soldaten besucht, und Freiwillige, die für den subkarpatischen Soldaten auf dem Schlachtfeld Nahrung und Kleidung sammelten. In Aknaszlatina/Solotvino, unter den Ruinen des alten Salzbergwerks stießen wir auf Onkel Jura, der dort gearbeitet hatte, und ist heute ein Nachtwächter im Minengebiet. Wir trafen auch Onkel Béla, in dessen Garten einen großen „Krater“ gibt, weil der Boden über einer ehemaligen Mine eingestürzt hat.

Die Zahl der Ungarn in Subkarpatien wurde drastisch reduziert. In der Volkszählung von 2001 etwa hundertfünfzigtausend Personen erklärten sich Ungarn. Es gibt viele Mischehen, wo die Kinder nicht mehr Ungarisch sprechen. In der schlechten wirtschaftlichen Situation alle diejenigen, die es leisten können, suchen Arbeit im Ausland. Es ist viel schwieriger denjenigen, die entscheiden, zu bleiben. Sie leben auf wenig Geld von Tag zu Tag, aber sie glauben, dass es nicht hoffnungslos ist, zu bleiben, und dass sie eine Zukunft in ihrer Heimat haben. Die durch die Laune der Geschichte in den letzten hundert Jahren fünf Mal Besitzer gewechselt hat.

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