Seit Jahren lebt nur ein einziger Mönch in Treskavec. Es gibt auch eine Quelle dort, Vögel, Katzen ohne Zweifel, und die Leere.
Die Leere ringsum, eine unendliche Leere. Vielleicht sieht der Mönch das Unendliche hier, aber für mich ist es nur die Leere, die Sonne und Steinen.
Ein
furchtbarer Ort.
Das Kloster von Treskavec – Tрeскавец – steht auf diesen Steinen in der Nähe der Spitze des Berges mit Blick auf die Stadt Prilep in Mazedonien, auf einem kleinen und schwer zugänglichen Plateau, unweit von der Spitze des 1280 Meter hohen Zlatovrv.
Aus der Ferne sieht man einen Haufen Steine, eine Art Pyramide über der dürren Ebene. Wir fragen nach dem Weg von einem Passanten und an einer Tankstelle, wir suchen den großen Schild auf der rechten Seite, wir folgen die Straße entlang des Fiedhofs. Der Weg führt durch die Felder, dann eine Art Horste, und eine gelbliche Steppe, und wir spähen nach das Kloster auch, über die wir noch nichts wissen. Aber wir sehen nichts, wir wissen nichts, wo sie suchen müssen, wir schauen, und nichts sehen. Wir fahren durch die trockene Ebene, zwischen Schilfen und kleinen, durstigen Bäumen, und plötzlich finden wir uns am Fuße des Berges. Der Berg ist dort vor uns, absolut dicht, wie ein Turm ohne Tür, aber der Weg kümmert nicht um den Berg, er berücksichtigt nicht den Hang, er steigt schwindelig auf. Wir fahren noch für Meilen fort, manchmal fast senkrecht, oder so scheint es mir, und wir verlieren alle Hoffnung, das Kloster zu sehen, denn es gibt nichts auf diesen Felsen. Nichts.
Und dann plötzlich erblicken wir es, es ist dort, oder vielleicht nicht, es ist noch weit, wir müssen den Aufstieg zu Fuß fortsetzen. Die Ebene öffnet sich unter unseren Füßen.
Einmal, wenn es noch keinen Weg gab, stieg man hier zu Fuß oder mit dem Pferd oder Maultier auf. Die Bewohner von Prilep kamen zu besonderen Anlässen auf: hier, am Kloster trafen sich die
Esnafs, oder Zünfte der Stadt, vor 1913, wenn Prilep noch unter osmanischer Herrschaft stand. Sie haben schöne türkische Kostüme und Schnurrbärte, aber wir können uns vorstellen, dass sie gute Christen ware, wenn sie bis hier aufkletterten. Dort sind die Kostüme und Schnurrbärte ganz anders, schöne serbische oder mazedonische, ich kann es nicht sagen, sie sind die zum Front abmarschierenden Truppen von Prilep, im Jahre 1916, als nach den Balkankriegen von 1912 und 1913 gehörte die Stadt zum Königreich von Serbien.
In der Antike gab es schon hier oben ein Tempel von Apollo und Artemis, dessen Fundamente noch sichtbar sind. Seit den frühesten Jahrhunderten des Christentums, dem fünften oder sechsten Jahrhundert stand hier auch eine Kirche, aber das Kloster wurde erst zu Beginn des vierzehnten Jahrhundert vom serbischen König Stefan Urosch II Milutin gebaut. Auf diesem spektakulären Ort, dem Felsen über Prilep wurde ein paar Jahrzehnte später auch eine Festung, die Türme von König Marko Kraljević gegründet.
Das Kloster im Jahre 1898
Das Kloster vor dem Brand von 2013, nachdem es 2008 komplett renoviert wurde (Wikipedia Commons)
Das Kloster, das im neunzehnten Jarhundert wiederholt den Bränden zum Opfer fiel, durch Wetter beeinträchtigt wurde, und im Jahre 2005, während des Konflikts zwischen den serbischen und mazedonischen orthodoxen Kirchen von seinen Mönchen verweigert wurde, wurde 2008 restauriert, nachdem der neue Weg den Zugang zum Ort erleichtert hatte. Leider hat im Februar 2013 ein von einer defekten Heizung ausgelöste neuer Feuerbrand alle Konaks, die traditionellen Wohngebäude der serbischen Klöster zerstört, und dieses kulturelle Erbe ist jetzt in Gefahr mehr als je zuvor.
Als ich vor diesen Ruinen stehe, auch wenn ich die dumme und banale Herkunft des Brandes kenne, scheint es mir wie eine Zusammenfassung von alles, was in dieser Reise schmerzhaft war, wie ein metaphorisches Bild aller diesen Balkankriege,
der entvölkerten Gebiete,
der verbrannten Häuser von Kosovo,
der verbrannten Moscheen von Prilep,
der toten, getrockneten Bäume,
der hier und dort noch unterminierten Felder,
der Geschichten von Verlassenheit, Flucht und Exil,
der so empfindliche Ängste,
der Hasse und Spaltungen,
der rivalen Kirchen,
der für diese oder jene geschlossenen Grenzen zwischen Griechenland, Mazedonien und Serbien,
der auf dieser oder jener Seite der so zerbrechlichen Grenzen, auf dieser oder jener Hälfte der Täler gebauten Denkmäler, der Kirchen und Moscheen, deren Glocken oder Lautsprecher in den Klangraum voneinander eindringen, und die jeweils beobachtet werden,
der Nationalismen,
der zwei- oder dreisprachigen Richtungsschilder, worauf die Ortsnamen wütend gelöscht wurden, weil sie in der gehassten Sprache geschrieben wurden,
der Poster zu Ehren von Personen, die anderswo Töter genannt werden,
der noch frischen Wunden.